Es klafft eine gewaltige Ton-Bild-Schere im Videoclip zu „Three Oh Nine“ von Fenne Lily. Wir sehen die 21-jährige Musikerin, wie sie eine Schaufensterpuppe mit Kleidungsstücken ihres Ex-Freundes in eine lebensgroße Voodoo-Puppe verwandelt und diese Puppe anschließend mit einem Baseballschläger verdrischt. Nach getaner Arbeit posiert sie Zigarette rauchend an der Uferböschung, den Baseballschläger lässig an ihre linke Schulter gelehnt. Doch wir hören diese Fenne Lily nicht.
Obwohl die Single „Three Oh Nine“, wie viele Songs ihres Debütalbums „On Hold“, von einer schmerzhaften Trennung handelt, ist nichts von der Wut und Aggression des Videos in Musik und Gesang zu spüren. Stattdessen haucht die Sängerin und Songwriterin aus Bristol ihre traurigen Zeilen mit glasklarer Stimme über fragilen Folkrock. Die cool posierende Fenne Lily klingt hier verletzt, verzweifelt und enttäuscht.
Noch weiter hinab in die Tiefen der Trauer und Verzweiflung führt nur der Song „The Hand You Deal“, bei dem sowohl der verbitterte Text als auch der wummernde Bass des elektronischen Beats Abgründe ausloten. „The Hand You Deal“ ist nicht nur der emotionale Tiefpunkt des Albums, sondern dank der elektronischen Klänge im Refrain auch der einzige musikalische Überraschungsmoment.
Auf den zehn restlichen Songs wird Fenne Lilys Gesang manchmal von einer vorsichtig spielenden Band und ansonsten lediglich von ihrem Gitarrenspiel begleitet. Doch wirklich wichtig sind diese Arrangements nicht, weil sowieso Fenne Lilys Stimme und ihre klug getexteten Zeilen im Mittelpunkt eines jeden Songs stehen.
Wenn „Three Oh Nine“, dessen Titel sich auf das Datum des Tages bezieht, an dem Fenne Lily verlassen wurde, den Beginn ihrer Leidenszeit markiert, so steht der Titelsong „On Hold“ für das Ende und die Überwindung der Trauer. Der Song ist eine Ode an die Freundschaft zu Fennes neuem besten Freund und der einzige optimistische Moment auf „On Hold“, der im Kontext des Albums beinahe euphorisch klingt.
Solche emotionalen Ausbrüche wünscht man sich in Zukunft häufiger von der Sängerin und Gitarristin, die im ländlichen Dorset aufgewachsen ist. Denn ohne diese Kontrastpunkte verliert die sanfte Melancholie des Debütalbums auf Dauer ihren Reiz.
Die Lösung scheint recht simpel: Fenne Lily muss lediglich die Aggression und Wut, die sie im Video zu „Three Oh Nine“ zeigt, in ihre Songs einfließen lassen. Damit wir ihre böse Seite nicht nur sehen, sondern auch hören können.