Der britisch-irische Wahlberliner Ryan O’Reilly ist nicht nur Singer/Songwriter, sondern auch ein begabter Geschichtenerzähler. Darum ist seine Musik auch mehr als nur eine unbedeutende Hintergrundplänkelei.
Bereits sein erstes Studioalbum „The Northern Line” überzeugte mit melancholisch-tiefsinnigen Texten, die durch O‘Reillys sanfte Stimme zum Leben erweckt wurden. Weil das kein großes Brimborium braucht, um wunderbar zu klingen, ist die Instrumentalisierung seiner Songs eher zurückhaltend – viel mehr als ein paar gekonnte Gitarren-Riffs sind nicht nötig.
In diese Tradition tritt auch seine zweite Platte „I Can’t Stand The Sound“. Das Album ist zwischen dem Trubel New Yorks und der Verlassenheit der Isle of Wight entstanden und beweist, dass Ryan O’Reilly nicht davor zurückschreckt, ernste Themen zu adressieren.
Zusammen mit der Düsternis, der seine Lieder allesamt verfallen sind, und der Melancholie der Texte erinnert das musikalische Schaffen Ryan O’Reillys stark an Künstler wie Ben Howard. Auch wenn man sich als Hörer*in nicht in jedem Song explizit wiedererkennt, so lassen sich die Geschichten, die hinter den Tracks stehen, doch immer nachfühlen. Das liegt vornehmlich an der realistischen und ehrlichen Herangehensweise, die O’Reilly für „I Can’t Stand The Sound“ gewählt hat.
So beginnt das Album mit einem Song, der sich mit einem der verbreitetsten Probleme unserer heutigen Gesellschaft auseinandersetzt. In „Don’t You Know That“ geht es um die Tatsache, dass wir 24 Stunden am Tag mit Informationen bombardiert werden. Wohin wir uns auch drehen, befindet sich ein Bildschirm – ein Fernseher, ein Computer, ein Tablet oder ein Handy.
Aber was macht die ständige Flut an Informationen und Bildern eigentlich mit uns? Nach Ryan O’Reilly haben die leuchtenden Bildschirme vor allem eine Funktion: „To fuck your head and twist a knot in your soul“. Für die Art und Weise, wie sie unser Verlangen nach Sensation stillen, findet O’Reilly mehr als deutliche Worte: „We watch the massacres happen like its pornography“ – unrecht hat er damit nicht.
Während sich die Berichterstattung über Kriege, Anschläge, Naturkatastrophen und andere Krisen nur so stapeln, scheinen sie nicht mehr als ein ‚Cheap Thrill‘ für die skandalhungrige Gesellschaft zu sein – mit einer ähnlich kurzen Verfallsdauer wie der Kick eines Pornos.
Zu Recht fragt sich O’Reilly in dem Song „I Can’t Stand The Sound“, was die politischen Oberhäupter in diesen Krisenzeiten tun – nämlich nichts: „Nothing get’s done while they are complaining“. Im Angesicht dieser bestürzenden Lage ist der Wunsch, all diesen Lärm leiser zu drehen oder gleich ganz auszuschalten mehr als nachvollziehbar. Nach eigenen Angaben schrieb O’Reilly den Track kurz nach der US-Wahlnacht, in der er die Masse an dogmatischen Nachrichten kaum auszuhalten schien. Rund ein Jahr später lassen sich dem Titel mit Blick auf den ‚Shutdown‘ in den USA beinahe hellseherische Fähigkeiten zuschreiben.
Damit beweist das Album „I Can’t Stand The Sound“, dass Singer/Songwriter-Musik alles andere als eine von Gitarre begleitete Belanglosigkeit sein muss, sondern einen wichtigen Beitrag zu gesellschaftlich wie auch individuell relevanten Themen leisten kann.