Musiker*innen sind schillernde Persönlichkeiten, deren große Liebe – zumindest direkt nach der Musik – das Rampenlicht ist. Auch wenn dieser Umstand auf viele zutreffen mag, ist es eine sehr verallgemeinernde Vorstellung, die der menschlichen Seite der Künstler*innen nicht gerecht wird. Zu groß ist auch die Anzahl derer, die an ihrem Erfolg und insbesondere am Rampenlicht und dem damit zusammenhängenden Druck zerbrechen.
Auch die schwedische Singer-Songwriterin Sumie – kurz für Sandra Sumie Nagano und gleichzeitig die Bezeichnung der Schwarz-Weiß-Kunst der japanischen Tuschmalerei – musste sich den Folgen des Erfolgs, den guten wie den schlechten, stellen. Im Kontext dieses Prozesses war es für sie lange Zeit nicht klar, wie und vor allem ob es nach ihrem Debütalbum 2013 musikalisch weitergehen würde.
Diese Unsicherheit lässt sich jedoch mit dem Erscheinen ihres zweiten Albums „Lost In Light“ klären: Es geht weiter und das sogar ziemlich großartig. Sumie bewegt sich mit ihrem Zweitwerk weg von den folkigen Einflüssen ihres Debüts und hin zu einer nach innen gekehrten und poetischen Art des Musikmachens.
Sumie, die sich selbst als ruhige und introvertierte Person beschreibt, zog sich in der Zeit nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums zunehmend in andere Welten zurück: Sie beschäftigte sich mit Kunst, mit Geschichte, mit Lyrik, mit Kino. Doch anstatt dem eskapistischen Drang nachzugeben und sich in Büchern und Filmen zu verlieren, zog Sumie Inspiration aus ihnen, die sie in die Platte „Lost In Light“ steckte.
Wie unmittelbar ihr Vorgehen dabei zuweilen ist, beweist der Titel „Divine Wind“. Für diesen übersetzte Sumie das gleichnamige Gedicht des schwedischen Lyrikers Daniel Klevheden und verwandelte es in einen träumerischen und zugleich sehnsuchtsvollen Track, der auch nach seinem Ende noch lange nachhallt.
Gleichermaßen verträumt und wehmutsvoll klingen auch die anderen Songs von „Lost In Light“ – das Eine scheint nicht ohne das Andere existieren zu können. Da wären etwa die zehrenden Geigen in „Leave Me“ oder das tänzelnde Glockenspiel von „Pouring Down“.
Der Titel „Night Rain“ lädt zur Reise in eine andere Zeit ein. Die schwermütige Melodie klingt, als stamme sie geradewegs aus einer Drehorgel. Der leiernde Rhythmus ist einem Walzer nicht unähnlich und wird von Sumies sanfter Stimme begleitet. Trompeten machen den melancholischen Sound komplett.
In „Lost In Light“ hat Sumie ihr eigenes Sich-In-Sich-Zurückziehen verarbeitet und dabei eine poetische Klangwelt geschaffen, in die sich Menschen, vielleicht auch gerade introvertierte Menschen, ihrerseits zurückziehen können.
So stehen wir dann als Hörer*innen vor der gleichen Entscheidung, vor der auch Sumie selbst einst stand: Flüchten wir uns in diese andere Welt – der Bücher, der Filme, der Musik – oder ziehen wir Inspiration aus ihr?
Vielleicht müssen wir uns aber auch nicht entscheiden, zumindest nicht gleich. Vielleicht können wir die traumversunkenen Songs von „Lost In Light“ auch einfach genießen und sie als musikalischen Rückzugsort betrachten. Vielleicht gibt uns diese Zuflucht genau den Impuls, den wir brauchen.