Ihr Debütalbum „Sprained Ankle“ hat die Indie-Welt ins Mark getroffen. Wer ist diese blutjunge Singer/Songwriterin, die im Lo-Fi-Korsett ihre Telecaster zupft und mit einer Ausnahme-Stimme die Welt anhält?
Jeder wollte einen Teil von Julien Bakers Glanz abhaben, ob als Support-Act oder in Form eines Beitrags auf der eigenen Platte: Von Conor Oberst bis Touché Amoré waren sie entzückt von der US-Amerikanerin.
Julien Baker hat indes Anfang des Jahres bei Matador unterschrieben, zunächst eine Seven-Inch mit zwei neuen Songs veröffentlicht, um dann ganz unaufgeregt am Nachfolger zu „Sprained Ankle“ zu arbeiten.
Die erste Auffälligkeit bei „Turn Out The Lights“ liegt im Sound. Der ist hörbar in die Breite gewachsen. Die Produktion fällt kristalliner und die Dynamik durchdachter aus als zuvor. Mit Lo-Fi hat das nichts mehr zu tun.
Den Songs, die häufig auf ein Crescendo-Finale zusteuern, steht das aber prima. „The harder I swim, the faster I sink“ singt Baker etwa in „Sour Breath“, stapelt Schicht um Schicht ihrer Stimme über- und nebeneinander, bis am Ende nur noch die oberste, in ihrer Verzweiflung unpolierte Gesangsstimme stehen bleibt, und der Zeile den entscheidenden Nachdruck verleiht.
Julien lässt erneut tief in ihr Innerstes blicken, auf einer Platte, die bereits an ihrem Titel und an Songs, die „Shadowboxing“ oder „Everything That Helps You Sleep“ heißen, deutlich macht, dass sie eher auf der dunklen Seite des Mondes, denn zu nah an der Sonne zu Hause ist.
„You can’t even imagine how badly it hurts/ just to think sometime/ how I think almost all of the time.“ (aus „Shadowboxing“ ) oder „My heart is gonna eat itself“ (aus „Televangelist“) und gipfelnd in „I used to never wear a seat belt, cause I said I didn’t care“ (aus „Hurt Less“) sind Ausdruck der verzweifelten Sinnsuche einer 22-jährigen – auch wenn diese eine gläubige Christin ist, wie sich Baker selbst bezeichnet.
Diese Zeilen sind nicht mehr länger nur mit einer Telecaster begleitet. Schon der Opener fängt mit Klavier und Geige dramatischer an als „Sprained Ankle“ aufhört. In „Televangelist“ und „Everything That Helps You Sleep“ muss die Gitarre sogar ganz dem Klavier weichen.“
Die neue Vielfalt steht Ms. Baker ebenfalls prima und findet im finalen „Claws In Your Back“ seinen Höhepunkt. Wie sich hier, abermals zu einem viereinhalb minütigen Crescendo, ihre Stimme über Klavier und Streicher in die Höhe schraubt, ist Gänsehautmoment pur – und nur einer von vielen auf „Turn Out The Lights“.
Trotz der voluminöseren Produktion und einem größer gedachten Songwriting ist Julien Baker noch besser geworden als auf ihrem bereits hervorragenden Debüt „Sprained Ankle“. Ein dramatischeres, in seiner Schönheit theatralischeres Singer/Songwriter-Album als „Turn Out The Lights“ hat es und wird es in diesem Jahr nicht mehr geben.