Die Zeit der epischen Dream-Rockalben ist gekommen: Mit „Kinder Versions“ liefert die isländische Band Mammút ein Album ab, das schwer und zugleich weich wie dunkler Samt ist. Auf dem vierten Album der Band finden sich zwar „nur“ neun Songs, die sind aber sehr intensiv und zum Teil recht ausufernd.
Der Opener „We Tried Love“ gibt den Weg vor: In nicht weniger als siebeneinhalb Minuten werden die Phasen einer schmerzhaft beendeten Liebe erneut durchlebt. „I build a wall around me“ singt Katrína Kata Mogensen, um später dann zu gestehen: „Yes, I Loved You“.
Der Gesang von Mammút changiert zwischen „alles zerbricht in mir“ und „ich werde es noch mal schaffen“, von brüchig bis kraftvoll. Es scheint einen besonderen isländischen Singstil zu geben, denn ich dachte beim ersten Hören: Oh, hat Björk eine neue Platte aufgenommen? Und ja, es gibt Querverbindungen zwischen dem Quintett und der wohl bekanntesten Isländerin.
Frontfrau Katrína ist die Tochter von Birgir Mogensen, der gemeinsam mit Björk in der Band KUKL gespielt hat. Die beiden Frauen klingen zum Verwechseln ähnlich, besonders beim zweiten Teil des Titeltracks „Kinder Version“, wenn der Gesang auf einen elektronischen Klangteppich trifft.
Hingegen ganz organisch wird der Sound bei „Bye Bye“, wenn eingesungene „Uhs“ den fragilen Gesang Mogensens umhüllen und protegieren.
„I´m afraid to die, but it`s okay“ heisst es in „The Moon Will Never Turn On Me“, einer Düsterpopballade mit Geigen und Gitarren. Warum dazu nicht in den Himmel schauen und sich in reinigender Melancholie versenken – mit dem guten Wissen: Ich bin nicht der einzig traurige Mensch auf diesem Planeten.
„Kinder Versions“ ist das erste englischsprachige Album der Band, die es in Island und weiteren Teilen Skandinaviens zu respektablem Erfolg gebracht hat. Wie kommt es, dass Mammút hierzulande noch relativ unbekannt sind?
Mammút ist eine gewachsene Gruppe: Angefangen haben die drei Musikerinnen Katrína Mogensen, Bassistin Vilborg Ása Dýradóttir und Gitarristin Alexandra Baldursdóttir als ROK im Jahr 2003. Bereits ein Jahr später kamen Gitarrist Arnar Pétursson und Drummer Andri Bjartur Jakobsson hinzu und sind bis heute dabei.
Die Platte, die durch Crowdfunding vorfinanziert wurde, ist vielschichtig und hörenswert. Mein Tipp: Kopfhörer aufsetzen, Smartphone weglegen und einfach nur den epischen Erzählungen der Isländer lauschen.
Die Musik umschliesst wie ein Samtumhang: Angenehm warm, ja tröstend, aber auch schwer und stellenweise fordernd.