Als würde sie uns sagen wollen: “Ha! Und ihr dachtet, ich bleibe jetzt beim zugänglichen Pop?”
Naja gut, es war ja auch schon beim letzten Mal nicht Radiopop. Sondern Julia Holter-Pop. Aber dennoch, das vierte Album war relativ zugänglich, angenehm, nicht zu komplex. Und jetzt das!
Wenn man nicht in Stimmung ist für Julia Holter, ist man nicht in Stimmung für Julia Holter. So einfach. Und doch so komplex. Ihr fünftes Album “In The Same Room” – benannt nach einem Song des Albums “Ekstasis” aus dem Jahre 2012 – ist zugleich das erste in einer neuen Reihe von Domino Records. “Documents” soll eine unregelmäßige Serie von Live-Studio-Alben werden, in Anlehnung an die klassischen BBC-Sessions.
Julia Holter macht nun also den Anfang dieser neuen Reihe. In gerade mal zwei Tagen hat sie mit ihren grandiosen Musikern (Corey Fogel Schlagzeug, Perkussion und Stimme, Dina Maccabee Bratsche, Stimme und Devin Hoff Kontrabass) elf Songs der letzten vier Alben neu aufgenommen.
In bewährter Julia Holter-Manier: Kompliziert. Anstrengend. Dicht. Und auch die sieben doch so überraschend leicht anmutenden des letzten Albums “Have You In My Wilderness” verdichtete sie nun auf ihrem Frischling. Ganz so einfach macht sie es eben einem doch nicht, wie nach letzterem Longplayer vielleicht leicht erhofft.
Alles klingt nach dem fein gesponnenen Klang-Geflecht, das man von der Kalifornierin kennt: elegante, schwermütige, tieftriefende Musikalität. Wir befinden uns im Niemandsland zwischen Romantik und neuer avantgardistischen Musik. Fröhlich ist da gar nichts. Komplex so etwa alles.
Julia Holters Stimme klingt immer noch so, als würde sie einfach für sich singen. Kein ekstatisches Geschrei, keine direkte Ansprache. Einfach Gesang. Oder Sprechgesang. Oder Wortfetzen.
Ihre Musik oft spröde. Wollte man gerade anfangen im Klangteppich zu baden, bricht er unverhofft ab. Wird unterbrochen. Bröchelt.
Will man eintauchen in Holters Welt, muss man sich im Klaren sein: Ihre Balladen (das ist vielleicht die artgerechteste Bezeichnung) hört man am besten wie ein Werk der Klassischen Musik. Konzentriert. Genau. Und auf gar keinen Fall nebenbei. Ihr Publikum abholen? Nein. Sie macht einfach. Und wer mitgehen will, der kann. Aber er muss wollen.
Mit “Horns Sorrounding” wählte Holter einen gar schwierigen Einstieg. Schräge Tonfolgen. Viel Bratschen-Flageolett. Und dann dieser belehrende Unterton, orchestriert, als wolle sie uns klarmachen: Horn geht auch ohne Horn. Horn geht auch mit Bratsche und Kontrabass.
Die nächste Hürde kommt dann auch sogleich mit Nummer zwei “So Lillies” – abwechselnder Sprechgesang mit sich selbst, nur leichte Perkussion. Ein Highlight der Platte – schon zu Beginn. Man hört hin. Diese neue Version des alten Songes klingt unglaublich spannend.
Entspannend wird es dann doch tatsächlich in der Folgenummer “Silouette”. Endlich eine Melodie. Und gleich ertappt man sich beim Mitsingen, um dann in “How Long” wieder verloren zu gehen.
Holters Musik ist wie ein Perpetuum Mobile. Ohne Ende und ohne Anfang. Einfach da, verwirrend vielleicht, manchmal unendlich lang – beispielsweise “Lucette Stranded On The Island” dauert über sieben Minuten, “Citty Appearing” beinahe acht -, und irgendwann dann wieder vorbei. Und dann, dann herrscht Stille. Denn so konzentriert, wie man ihrer Musik lauschen muss, so einfach lässt sie einen dann nicht mehr gehen.
Während die meisten, eigentlich alle, Nummern auf dem Album sehr langsam und melancholisch sind (irgendwie hat die Stimmung auch Einfluss auf das Verständnis des Textes und so wird eine Passage in “Betsy On The Roof” von “Uh Oh she said” plötzlich zu “Oh Oh she’s sad” in des Hörers Ohr), ist Nummer sieben “In The Green” eine angenehme Auflockerung. Schon fast sehr schnell könnte man sagen. Mit witzigen gesanglichen und musikalischen Einwürfen. Treffsicher. Genau. Leider dauert dieser musikalische Ausflug ins beinahe Fröhliche bloß vier Minuten. Das nächste Mal bitte mehr davon!