„Der wilde, wilde Westen fängt gleich hinter Hamburg an“ sang einst die deutsche Country-Combo Truck Stop. Digger Barnes kommt zwar auch aus der Hansestadt, aber seine Genre-Interpretationen spielen in einer ganz anderen Liga.
Seit Jahren ruhe-, heimat- und rastlos ist der Mann, der bürgerlich Kay Buchheim heißt und dessen musikalische Wurzeln mit der Band Jeniger im Düsterpunk liegen. Von den kleinen und großen Dramen des Lebens, die ihm unterwegs begegneten, erzählt er seitdem nicht nur auf seinen Platten, sondern auch gemeinsam mit seinem ehemaligen Bandkollegen Pencil Quincy in der „Diamond Road Show“, einem Hybrid aus Konzert und Trickfilm.
Im Mittelpunkt steht dabei immer der schnauzbärtige Outsider mit der Gitarre im Fond seines Wagens, der selbstverständlich auch auf dem neuen Album die Hauptrolle spielt. Bereits im einleitenden „The Hoopoe“ kann man die Staubfahne spüren, die Digger Barnes‘ Auto beim Passieren der vergessenen Plaste-Dinos eines ausgedienten Freizeitparks aufwirbelt.
Womit man schon mitten in seinen Themen angekommen ist. Entwurzelung, Einsamkeit und Aufbruch bleiben auch auf „Near Exit 27“ tragende Säulen. Im Roadmovie-Stil arrangiert und von der akustischen Rhythmusgitarre geführt, ergänzt Produzent Friedrich Paravicini das Instrumentarium mit Vibraphon, Mellotron, Celesta, Harmonium, Horn und Streicher, sogar Uralt-Synthies kommen zum Einsatz.
Als Storyteller inzwischen einer der ganz Großen berichtet Digger Barnes von einem Leben zwischen den Stühlen, gibt allen Driftern via „Travelin`Man“ eine Biographie. Seine Geschichten sind gleichsam in der Lage, introvertiert zu wirken und sich trotzdem wie ein offenes Buch lesen zu lassen.
Nachdenklicher Americana treibt das Album voran, beschleunigt für die Uptempo Perle „Take Your Time“ und drückt für „You Can`t Run From The Devil“ (ein Beitrag für das Theaterstück „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier.“) richtig aufs Gas. Glitzernd wie der besungene Edelstein lässt „Shine Like A Diamond“ die Platte ausklingen.
„Hipster-Country“ war im Zusammenhang mit der Musik von Digger Barnes einmal zu hören. Aber zeitgeistaffine Effekthascherei hat er nicht nötig. Der Mann lebt, was er singt.