Bilderbuch – Magic Life – Swaggyness und Kunstschmäh, next Level

Sie sind überall! In „Das Wetter“, im „ZEIT Magazin“, in der „3sat-Kulturzeit“, sogar in „Titel, Thesen, Temperamente“: Heidewitzka, der Feuilleton hat Bilderbuch entdeckt. Nach den Wellen, die „Schick, Schock“ – zwar nicht ihr Debut-, aber das erste große Album nach der Neuausrichtung der Band – geschlagen hat, war das zu erwarten. „Magic Life“ heißt ihr neuester Streich. Hält er, was er verspricht?

„Carpe Diem“, wie auch sonst sollte ein „Magic Life“ beginnen, wenn nicht mit dieser Horazschen Lebensweisheit. Und tatsächlich, das neue Album könnte man nahezu als einen perfekt „gecarpten“ diem eines Gigolo, wie er im Bilderbuch steht, lesen:

Flirten mit der „Sweetlove“ (Track 3), Vorglühen und Snacks im „Bungalow“ (Track 5), Rumcruisen im Skoda, Dirty Dancing im Club mit „Sprit N’ Soda“ (Track 6) und dabei einfach eine „SUPERFUNKYPARTYTIME“ (Track 8) haben.

Der 90er-Trash, der sich bereits in Artwork und Musikvideo zu „Bungalow“ ankündigte und das gesamte Album beeinflusst, wird gerade hier, in „SUPERFUNKYPARTYTIME“, auf die Spitze getrieben: Klappernde Drums, Keyboardsounds und Backstreetboyisher Gesang über „Party, Party, Party“.

Doch so simpel ist es nicht. In Wirklichkeit sind Bilderbuchs Style und Texte natürlich obscura ambivalentia wie eh und je. Man kann darin Songs über Sex und Liebe erkennen oder einfach nur swaggy dadaeske Texte der absoluten Willkürlichkeit. Man kann darin aber auch hochironisierte Gesellschaftskritik verstehen, das bleibt einem jeden selbst überlassen.

Was jedoch nicht erst beim letzten Song „Babylon (Digital only Track)“ klar wird: Kapitalismus ist die neue Religion und Bilderbuch sind ihre Jünger:

(„Christus [in der zweiten Strophe jeweils ersetzt durch Mohammed; T.L.] sagt, come drink und ich trink nen Drink / Christus sagt, let’s dance und ich mach den Dance / Christus sagt, relax und ich bin entspannt / Christus sagt, ich brauche mehr friends / Ich adde wen ich kenn […] Das ist alles für die Liebe / Wo bleibt meine Liebe? / Das ist alles für die Liebe / Ich kaufe mir Liebe!“).

Bei Bilderbuch heißt es nicht etwa „by the rivers of Babylon“, sondern immer wieder „by the rivers of cashflow“. Sie sprechen von der neuen Liebe als „Investment“ und von „Stress“ als Lebensphilosophie.

Der bilderbuchhafte Kunstschmäh, der bereits auf „Schick, Schock“ imponierte, erreicht auf „Magic Life“ ein neues Level: Der deutschen Sprache mit ihrem – wie es klischeehaft immer heißt – harten Klang etwas Melodiöses, exotisch Anmutendes, Singelsangelndes verleihen – wenn das jemand kann, dann ohnehin nur Österreicher. Und wenn das jemand wirklich kann, dann die Bub‘n von Bilderbuch.

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