Was für ein Seuchenjahr! Wieder hat der Tod einen der prägendsten Charaktere der Musikgeschichte aus unseren Reihen gerissen. 82jährig verstarb der wahrscheinlich größte Taktgeber der Melancholie, Leonard Cohen.
Dabei war der stille Kanadier eigentlich Literat, der für seine Gedichte und Romane gefeiert wurde. Obwohl schon als Kind im Umgang mit der Gitarre vertraut, untermalte er erst auf Anraten seines Umfeldes und der aufkommenden Singer-Songwriter Welle in den Sechzigern seine Lyrik musikalisch. Maßgeblich prägte ihn dabei sein Aufenthalt im berühmten New Yorker Chelsea Hotel, in dem er mit den Größen dieser Zeit, u.a. Bob Dylan oder Janis Joplin, zusammentraf.
Mit dem 1967 erschienenen ersten Album „Songs Of Leonard Cohen“ setzte der zeitlebens depressive Künstler Maßstäbe für folgende Genre-Generationen. Nicht selten sang Cohen in dieser Zeit, zerrissen zwischen Obsession und Ablehnung, tränenüberströmt vor Konzert-Publikum von seinen dunklen Visionen.
„Suzanne“, „Sisters Of Mercy“ oder „So Long, Marianne“ waren Meilensteine in Worte gefasster Einsamkeit, Todessehnsucht und spiritueller Erleuchtung. „Avalanche“, „Bird On The Wire“, „Lover, Lover, Lover“ und natürlich „Hallelujah“ strahlten vor erhabener Schlichtheit, waren Ruhe- und Schutzzonen inmitten einer immer technischer werdenden Welt.
Als später sein Sound voluminöser wurde, „I`m Your Man“ und „The Future“ mit ihren Hits „First We Take Manhattan“, „Waiting For The Miracle“ oder „Closing Time“ hoch in die Chart einstiegen, war Cohens Musik längst Legende. Er hatte davon aber vorerst genug, zog sich Mitte der Neunziger in ein buddhistisches Kloster zurück, in dem er Abstand vom Musikerleben suchte. 1999 die kraftvolle Rückkehr, es gab „Ten New Songs“und Welttourneen.
Aus seiner nie zu versiegenden Inspirationsquelle sprudelten mit „Dear Heather“, „Old Ideas“, „Popular Problems“ Platten, auf denen der Mann mit dem Hut und der unverwechselbar sonoren Stimme Ruhepunkte in stürmischen Zeiten setzte, wenngleich er seine Liebe-Glaube-Hoffnung-Überzeugungen milder formulierte als während der „Songs Of Love And Hate“ Epoche.
Bereit zum Sterben sei er, wie er in einem Interview anlässlich seiner erst im letzten Monat erschienenen „You Want It Darker“ Platte erklärte. Die Aussage relativierte Leonard Cohen schnell wieder, schließlich wollte er 120 Jahre alt werde. 38 davon fehlen nun ihm und uns.
Viele werden ihre eigene Cohen-Geschichte im Herzen tragen. Aussichtslose Momente, in denen das Starren ins Leere nur von seinen tröstenden Klängen begleitet wurde. Phasen größter Verzweiflung, in denen man mit ihm draußen einen Vertrauten wusste.
Die Fahnen in seiner kanadischen Geburtsstadt Montreal wehen auf Halbmast. Ein „Hallelujah“ für Leonard Cohen.