Lambchop sind quasi unantastbar. Das Alternative-Country-Kollektiv von Mastermind Kurt Wagner liefert seit elf Alben beinahe ungebrochen hohe Qualität bei gleichzeitiger Vielseitigkeit. Das zwölfte Album allerdings gibt Rätsel auf – und nicht alle davon lösen sich zur Zufriedenheit der Beteiligten.

Zunächst zum offensichtlichen und leicht ergründbaren Mysterium: „Flotus“ steht – dem Wahljahr zum Trotz – nicht etwa für „First Lady Of The United States“, sondern für „For Love Often Turns Us Still“. Nachdem das geklärt wäre, sei gesagt: Die unerklärlichen Aspekte dieses Albums überwiegen.

Der Opener „In Care Of 8675309“ geht stark los. Entspannter Rhythmus, fluffige Bassline, dezente Gitarren bilden das Fundament. Darauf spaziert der gewohnt angenehme Bariton von Kurt Wagner durch eine unaufgeregte Melodielinie. Aber: Warum wird Wagners Gesang auf Songlänge eigentlich durch einen fiesen Autotune-Effekt verfremdet? Und warum dauert dieser Song satte zwölf Minuten, obwohl die melodische Substanz sich nach etwa vier Minuten erschöpft hat? Man weiß es nicht und „Flotus“ gibt sich in der Folge auch wenig Mühe, sich zu erklären.

Stattdessen wird alles noch viel seltsamer. „Directions To The Can“ lässt Wagners Stimme mit sich selbst ins Duett treten, wobei jede Stimme mit einem anderen Effekt Weise maschinisiert wird. Dazu gibt es trip-hoppige Beats und Jazzharmonien. Spätestens beim Titeltrack an dritter Stelle der Tracklist ist dann auch klar: Das mit der Stimmverzerrung ziehen Lambchop jetzt durch – komme was wolle.

Und da kommt noch ganz schön viel: Zusätzlich zum überlangen Opener leistet sich das Album auch noch einen über-überlangen Rausschmeißer und dazwischen Songs mit kryptischen Titel wie „Relatives #2“ und „NIV“, die es dem Hörer allesamt nicht leicht machen.

„JFK“ etwa stellt Wagners Robotergesäusel neben einen verzerrten Kirchenchor und eine leiernde Orgel, bevor das ganze Ding erst in Richtung Ambient kippt und sich dann auf seltsam altbacken klingende Elektro-Beats setzt. Nachvollziehbare Struktur? Fehlanzeige, genau wie irgendwie wiedererkennbare Melodien.

Beim ersten Durchlauf befremdet „Flotus“ auf voller Länge. Was Wagner und seine Bande hier zusammengerührt haben, ist über weite Teile eine einzige Geduldsprobe aus geschichteten Maschinengesängen, Easy Listening an der Grenze zur Fahrstuhlmusik und endlos scheinender Repetition.

Das elektronischste Lambchop-Album aller Zeiten sowieso, was kein Problem wäre, wenn man nicht beständig das Gefühl hätte, jemand habe die Gesangsspuren durch einen Kosmos-Physikbaukasten gejagt und irgendwo eine Konserve mit alten Beats ausgebuddelt.

Und doch: Weitere Durchläufe gewinnen dem Album einen gewissen Reiz ab. Da schälen sich spannende Melodien aus dem halbsynthetischen Klangbrei, erschließen sich vormals unverständliche Soundkombinationen und entfalten sich stimmungsvolle Momente.

Es schien zunächst unmöglich, aber: Ja, auch dieses Album hat in der Lambchop-Diskografie seine Berechtigung. Die Frage, ob es dazu unbedingt der akustischen Tour de Force bedurft hätte, die „Flotus“ nun einmal ist, müssen die Herrschaften sich allerdings schon gefallen lassen.

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