Wer meinte, Familienbetrieb Milner hat vor zwei Jahren auf ihrer „Aftermath“ Platte, welche sich in weiten Teilen von der hymnischen Poppigkeit ihres Debuts verabschiedete, bereits den Zenit in Sachen Entdeckung der eigenen Langsamkeit erreicht, wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Auf „Wilderness“ hat das Geschwisterpaar Hundreds den Fuß noch stärker auf der Bremse und verdichtet noch einmal die Spannungsbögen ihrer Kompositionen.
Seit zwei Jahren im Wendländischen Woltersdorf ansässig, feilten sie im eigenen Studio beständig weiter am eigenen Klangkosmos. Mit ähnlich autarker Arbeitsweise im ländlichen Umfeld haben dereinst auch Trio in ihrem Reihenhaus in Großenkneten Bedeutendes für die hiesige Musikhistorie entwickelt.
Das ist mit anderen Mittel und Möglichkeiten auch den beiden Norddeutschen mit ihrem dritten Werk gelungen, etwas „what remains“, wie das im Vorfeld erschienenes Video bereit ankündigte.
Aus allen vorstellbaren elektronischen Zutaten erschließen Hundreds Soundwelten, welche herkömmliche Vorstellungen von Arrangement und Songstruktur zerstören, in denen sich Töne entgrenzen und flächige Installationen zusammen finden, deren Komplexität sich erst nach mehrmaligem Konsum vollends erschließt.
War auf dem Vorgänger der geheimnisvolle Fluchtpunkt Wald aus ihren Kindheitstagen Mittelpunkt der Handlung, bleiben Hundreds der Natur auch diesmal treu. Als Thema wählten die Musiker den Raubbau des Menschen am einst unberührten Lebensraum und erinnern inhaltlich und musikalisch in einigen Passagen an das mystische Elemente-Epos „The Miraculous“ von Anna von Hausswolff.
Düster und sphärisch läutet das Titelstück das Album ein. In einer bedrohlichen Melange aus Fever Ray und Blair Witch Projekt weiß Eva Milner zu der kraftvoll-kühlen Synthieästhetik ihres Bruders Philipp Dunkles zu berichten. Das Glockenspiel säuselt, der Mittelteil hält inne, bevor sich im Sog des Finales alles einem großen Ganzen unterordnet.
Das stete Wechselspiel zwischen unnahbarer Elektronik und erdig-organischen Elementen zieht sich quer über die Platte. Mal ist es das temperiert angeschlagene Piano in „Black Sea“, mal der durch die Harfe transportiert Luftzug in „Wind In The Pines“, die in Opposition zu stoischer Repetition, in „Un-Unify“beinahe zelebriert, stehen. Wo „Lily“ nach Tanz lebensgroßer Spieluhrfiguren klingt, gleitet „Take It Down“ ruhig dahin.
Oft bleibt während der Stücke Platz zum Sammeln, bevor sich alles erneut noisig aufschaukelt und in der Phantasie des geneigten Hörers gewaltige Landschaftsaufnahmen projiziert. Selbst wenn die Stücke gelöst, fast tanzbar, scheinen und damit am ehesten den Indie-Klängen der Anfangstage entsprechen, verzichten „Bearer & Dancer“ oder „Spotless“ konsequent auf eine gefällige Pop-Song Strukturierung.
Mit „Wilderness“ untermauern Hundreds endgültig iher Ausnahmestellung in der einheimischen Musikszene. Wenn „Picking Pieces“ langsam am Horizont verschwindet, haben die, denen es gelingt, sich auf Albumgeschwindigkeit herunter zu fahren, einen treuen Begleiter nicht nur für die melancholische Schönheit der trüben Jahreszeit gewonnen.