Ausgerechnet im ansonsten von musikalischen Highlights weitestgehend verschontem Chemnitz – hier kommt einem unweigerlich Rainald Grebes Thüringen-Song in den Sinn: „David Bowie (R.I.P.) ist auch schon mal drüber geflogen“ – feierte zum Jahreswechsel einer der Stars der internationalen Musikszene seinen größten Erfolg. Grammy-Gewinner und Jazz-Gitarrist Al di Meola wurde Vater einer Tochter, welche seine Frau im Rabensteiner Krankenhaus zur Welt brachte.
Ein gutes Omen für das ein halbes Jahr später zum vierten Mal in Folge am Rabensteiner Stausee stattfindende Kosmonaut Festival, auch wenn hier Jazz keine Rolle spielt. Veranstaltet und geprägt sind die „Brummer Games“ von den musikalischen Botschaftern Karl-Marx-Stadts: Kraftklub.
Am Freitag startete das Festival bei gnadenlosem Sonnenschein und 35° C. Und so verwunderte es nicht, dass viele Festivalbesucher sich im Stausee eine Abkühlung verschafften. Itchy Poopzkid, die mit ordentlichem Bass die Bühne rockten, forderten die Badegäste, welche sich auf der mitten im See befindlichen Badeinsel tummelten, auf, selbige durch rhythmisches Hüpfen zum Beben zu bringen, mit mäßigem Erfolg allerdings. Als dann die Punk-Rocker aber Run DMC’s „It’s Tricky“ coverten, gab es am und im Wasser kein Halten mehr.
Danach gab Prinz Pi, alias Friedrich Kautz, dem Affen Zucker und aus der Bühne schossen die ersten Flammen. Jetzt kam das Publikum vollends in Wallung und arbeitete langsam dem Höhepunkt des Abends entgegen. Davor sollte jedoch BOY für etwas Abwechslung sorgen. Das taten sie dann auch gleich in zweifacher Hinsicht. Zum Einen konnten sich die erhitzten Hip-Hop Gemüter durch ihren ruhigen Pop Gesang etwas abkühlen. Zum Anderen hatten sie aber auch großes Pech, als für eine halbe Stunde die Technik ausfiel und sie unfreiwillig von der Bühne mussten. Wieder zurück, eroberten sie mit ihrem 2011er Hit „Little Nummbers“ jedoch schnell die Herzen der Besucher.
Dann der Hauptakt des Tages: Casper – mit ungeheurer Power und Beweglichkeit auf der Bühne.Und dann war es wie in jedem Jahr, soweit das Auge reichte, wippende und Arme schwingende Menschen. Allein dafür hatte sich der Eintritt gelohnt. Casper schoss ein Feuerwerk seiner Hits ab und schließlich erschien auch noch Felix Brummer für ein Gesangsduett mit auf der Bühne. Kurz vor Mitternacht fiel dann ein riesiges Tuch vom Bühnenhimmel, auf dem nur ein Stacheldraht zu sehen war, das Artwork der neuen Casper-Platte, aus welcher er auch gleich einen Song, der von Dagobert per Einspieler gefeatured wurde, zum Besten gab.
Viele Handys, in der nun dunklen Nacht, drehten Filmchen, um den Moment festzuhalten, aber letztlich genau diesen dadurch verpassten, wie es zuletzt auch AnnenMayKantereit auf ihrer Tour kritisch bemerkten. Spätestens jetzt wurde auch dem Letzten klar, was die T-Shirts mit dem Brust- „LLDT“ und dem Rückenaufdruck „23.9.16“ bedeuten sollten, welche unzählige Festivalbesucher trugen. Im September erscheint Caspers neue Platte „Lange lebe der Tod“. Unter großem Beifall predigte Casper in den Abendhimmel, dass jeder lieben könne, wen er wolle, gegen Sexismus, Rassismus und Fremdenhass. Ein perfekter Tag fand so einen wunderbaren Abschluss.
Am Samstag hatte dann der Wettergott ein Einsehen und drückte die Temperaturen auf ein erträgliches Maß, aber nicht ohne dabei eine Unwetterwarnung auszulösen. Und so konnte das Festival nicht wie geplant fortgesetzt werden. Man war gewarnt, in der Nacht zuvor führte ein Unwetter zum Abbruch des „Southside“ Festivals. Gegen 17.00 Uhr kam die Entwarnung und die jubelnden Festivalgäste fanden wieder Einlass auf das Gelände.
Größere Auswirkungen hatte dies auf den Zeitplan zum Glück nicht. Dennoch gab es mit den Parcels, die ihren Auftritt zu einen späteren Termin auf die kleine Bühne legen mussten, und Dota, die damit als Opener fungierten und es vor dem gerade erst eintreffenden Publikum dementsprechend schwer hatten, Leidtragende.
Feine Sahne Fischfilet hatten es dann deutlicher leichter und veranstalteten eine bengalische Bühnenshow. Aufgeblasene Bälle und Haifische flogen über den Köpfen der Zuschauer, Schnaps wurde mittels eines Schlauches dem Publikum verabreicht. Neben der immer wieder präsentierten Wampe von Jan „Monchi“ Gorkow gab es politische Statements mit der Belehrung, dass es gerade in Sachsen genug zu tun gebe. So wurde dann auch eine riesige Fahne „AfD aufs Maul“ geschwenkt. Daneben begeisterten die zwei Trompeter der Band, die zwar nicht jeden Ton trafen, aber das muss es bei Punkmusik auch nicht.
Deutlich unpolitischer gaben sich Wanda und begeisterten mit ihren Hits „Bussi Baby“ und „Bologna“ die Festivalgemeinde, die auch noch eine Entschuldigung dafür erhielten, dass Wanda beim letztjährigen Kosmonaut-Festival ihren geplanten Auftritt absagen mussten.
Und so machte es den Anschein, als wollten die Österreicher dafür entschädigen und gingen gar nicht von der Bühne, obwohl die Umbaucrew schon parat längst stand. Diese hatten auch genug zu tun, um das Bühnenbild für den darauf folgenden Alligatoah aufzubauen, welches hinter einem großen schwarzen Vorhang versteckt wurde.
Die Spannung stieg. Der Vorhang fiel. Ein riesiger regenbogenfarbener Ballon und Musiker mit Engelsflügeln und Sprengstoffgürteln auf Wolken von seiner „Himmelfahrtskommando“ Tour warteten auf ihren Einsatz. Alligatoah in Frack und Zylinder erfreute sich eines fingierten Blowjobs, der ihm zu teil wurde. Die Zuschauer tobten. Es folgten Stunts zwischen den Wolken und der Ritt auf dem golden Kalb im (an-)spielerischen Bühnenbild. Die perfekte Show endete natürlich mit „Willst Du…(mit mir Drogen nehmen)“. Damit legte er die Latte ziemlich hoch für den geheimen Headliner.
Zur gleichen Zeit spielte Olli Schulz auf der kleinen Bühne. Mit seinem „Böhmermann-Partner-Bonus“ hätte er wohl auch genug Teenies auf die Hauptbühne gelockt. Schulz kommentierte dies in seiner unnachahmlichen Art damit, dass Kat Frankie aus seiner Band, welche riesiger Alligatoah Fan ist, verdammt sei, mit Schulz auf der Bühne zu stehen.
Was er und seine fünf genialen Musiker dann auf dieser kleine Bühne boten, war ein riesiger Spaß und so versammelten sich doch etliche Zuschauer. Sein Beitrag zur geraden laufende Fußball EM, deren Achtelfinalspiele man auch auf einem dafür extra eingerichteten TV Stand verfolgen konnte, war neben der „Spielerfrau“, mit der Bemerkung, dass er selbst nie an eine ran gekommen ist, seine Idee Panini Bilder zu sammeln, allerdings nicht mit Motiven von Fußballern sondern eben von Panini. Und dann schwenkte er gleich weiter:
„Über Musik diskutieren, da muss man auch mal jemanden Scheiße finden, …das hat was mit Leidenschaft zu tun. Das hat nichts damit zu tun, dass man die Menschen blöd findet, die das hören, obwohl bei manchen Bands vielleicht ja, bei Frei.Wild oder so vielleicht schon.“. Kann man so stehen lassen.
„25 Years“ waren dann die ersten Töne auf der großen Bühne….Fanta 4 sprangen auf die Bühne und überraschten wohl damit jeden Kosmonauten. Bei den Wetten auf den geheimen Headliner tauchten die Fantas nicht auf und so war die Begeisterung beim jugendlichen Publikum dann doch eher verhalten. Zweifellos wurde mit diesem Act das Kosmonaut Festival geadelt, aber wie die Fantas selbst feststellten, stehen sie schon länger auf der Bühne als die meisten Zuschauer alt sind. Ein gelungener, professioneller Auftritt einer Band… im nächsten Jahr dann bitte doch vielleicht lieber mit Deichkind.
Es war wieder einmal ein durch und durch gelungenes Event und wir freuen uns auf 2017 zum 5. Kosmonautentreffen in Chemnitz, auch weil die Organisatoren wieder auf der Bühne stehen werden, wie sie selbst am Samstag Abend verkündeten.