Die Show ist der Star, nicht die Interpreten! Dieses Credo, das Pink Floyd als erste Band der Popkultur zu ihrem Konzerttrademark erhoben, gilt auch für Moderat. Nach Selbstbeweihräucherung im Fokus riesiger Konzertstrahler steht den derzeit wohl meist geschätzten Elektronikern Deutschlands so wenig der Sinn wie einst der Space-Rock Grandezza.
Stattdessen rücken sie im restlos ausverkauften Longhorn ihre Songs ins rechte beziehungsweise häufig symmetrische Licht und unterhalten mit einer nimmermüden Leinwand im Sinne futuristischer Storyteller. Lediglich den Taktgeber einer technoiden Tanzveranstaltung zu geben, ist jedenfalls nicht ihr Ding.
Das war mit der ersten Platte von 2009 vielleicht mal anders. Aber zu der Zeit war Moderat auch nur das spaßige Nebenprojekt von Apparat und Modeselektor. Heute sind sie viel mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Sie sind eine richtige Band, eine Gang, vielleicht sogar die einzige überhaupt in Elektro-Deutschland.
In den helleren Lichtmomenten wird diese Fokus-Verschiebung auch in der Bühnenaufstellung des Trios sichtbar. Stand Sascha Ring bei früheren Touren meist neben oder gar hinter den beiden Modeselektors Gernot Bronsert und Sebastian Szary, so gebührt ihm jetzt die goldene Mitte an vorderster Front – gleich einem Frontmann, aus dessen Rolle er sich allerspätestens seit dem jüngst erschienen Album „III“ ohnehin nicht mehr herausreden kann.
Es gibt darauf kein Stück, bei dem nicht seine Stimme zu vernehmen wäre. Ein Novum. Dass Rings Organ auch live sehr weit trägt, mussten seine beiden Mitstreiter wohl schon bei der vorherigen Tour einsehen.
Entsprechend finden sich viele der neuen Songs im Set. Die aktuelle Single „Reminder“ etwa, ist die zweite Nummer im rund 90-minütigen Programm und die erste, bei der Ring sein Können unter Beweis stellen darf.
Als Auftakt erlauben sich Moderat mit „A New Error“ direkt den Klassiker ihres Debüts – bei der großen Zahl an mitreißenden Stücken sicher kein allzu großes Wagnis. Kurz darauf folgt mit „Running“ eines des Highlights. Der Widerhaken nach drei Minuten ist auf Platte schon umwerfend geglückt und funktioniert live nochmal so gut. Am Ende jagen Moderat den Song mit einem ausschweifenden, elektronischen Jam von der Bühne.
Kurz darauf schwirrt zu „Rusty Nails“ dann das große Laken aus dem zugehörigen Video über die Leinwand. Es ist nicht der letzte Song, bei dem die Bilder eine absolute Augenweide sind. Die Clips, sofern vorhanden, sind auch für andere Songs der sehenswerte Hintergrundstoff.
Es ist bezeichnend, dass Moderat bisher in keinem ihrer Videos selbst zu sehen waren. So fahren sie auch live die körperliche Präsenz generell herunter, stehen meist im Dunkeln und sagen nicht mehr als unbedingt nötig. Laute Musik von stillen Künstlern.
Bei den Stücken, denen kein Video zu Teil wurde, tänzeln und wabern stattdessen geometrische Formen um die Wette, es zerspringen Weltkugeln und die Movingheads vermessen akribisch die zum Bersten gefüllte Location.
Der erste von zwei Zugabenblöcken liefert dann auch direkt den Überhit „Bad Kingdom“. Auf die Leinwand wird wieder der Schwarzweiß-Comic aus dem Video projiziert. „This is not what you wanted, not what you had in mind“, singt Ring dazu innbrünstig. Er wird selbst am besten wissen, dass diese Zeile heute Abend nicht gilt. Denn genau so wollte man es haben, genau so hat man es sich erhofft.
Und dann passiert es doch noch: Nach den Zugaben helles Licht auf der Bühne. Man sieht von den drei Protagonisten mehr als nur die schwarzen Silhouetten. Mit breitem Grinsen stehen sie am Bühnenrand, und applaudieren dem Publikum. Noch einmal verbeugen und dann … warten auf „IV“.