Spätestens seit Beginn des Siegeszugs von Bands wie den Whites Stripes oder den Black Keys ist der Musikwelt klar geworden: Eine energiegeladene Performance bedarf nicht zwingend eines klassisch strukturierten Line Ups. Es geht auch zu zweit. Dan Auerbach, Jack White und Co haben es bewiesen. Ein wahlweise mit Bass- oder Gitarrensounds gefüttertes Schlagzeug und eine Stimme – that’s it! Mehr braucht es nicht. Die beiden Schweizer Tobias Preisig und Alessandro Giannelli alias Egopusher sind sich sogar sicher: Es braucht nicht mal mehr eine Gitarre. Imposante Soundscapes könne man auch mit der unkonventionellen Konstellation Schlagzeug-meets-Geige(!) herbei zaubern. Oha! Geht das jetzt nicht doch einen Schritt zu weit? Mit ihrer Debüt-EP „Egopusher“ wollen Egopusher beweisen, dass der bisher weltweit eingeschlagene Duo-Weg hier und dort auch interessante und spannende Abzweigungen zu bieten hat. Wir trafen die beiden Sound-Düsentriebs in Berlin und sprachen über befreites Arbeiten, die Kraft der künstlerischen Zweisamkeit und Stimmen der Zukunft.

MusikBlog: Ihr habt euch während des Dieter Meier-Projekts „Out Of Chaos“ kennengelernt. Gab es während dieser Zeit einen besonderen Moment, in dem euch bewusst wurde, dass ihr beide wie geschaffen für eine musikalische Zusammenarbeit seid?

Tobias Preisig: Nein, das war eher ein Prozess. Wir waren damals unheimlich viel unterwegs, saßen oft im Auto zusammen und sind uns über viele Gespräche sowohl musikalisch als auch menschlich näher gekommen. Irgendwann haben wir einfach gemerkt, dass es passt. Und dann haben wir uns überlegt, wie es wohl klingen würde, wenn ein Schlagzeug auf eine Geige trifft. So fing das alles an.

MusikBlog: Dann kam die erste Begegnung im Proberaum. Erzählt doch mal.

Tobias Preisig: Wir waren geschockt. (lacht)

MusikBlog: Geschockt?

Tobias Preisig: Ja, total; aber natürlich im positiven Sinn. Da war plötzlich dieses unglaubliche Klangbild. Uns wurde bewusst, dass man in dieser Konstellation unheimlich viel entdecken und erforschen kann. Das war schon ein magischer Moment.

MusikBlog: Ihr habt einfach drauf los gespielt und abgewartet, was am Ende dabei rauskommt?

Alessandro Giannelli: So in etwa. Wir haben uns einfach treiben lassen. So machen wir das heute auch noch. Wir jammen erst ein bisschen rum, nehmen alles auf und suchen uns dann später die stärksten Sound-Schnipsel raus. Aus denen entstehen dann irgendwann richtige Songs.

Tobias Preisig: Für diese Schnipsel haben wir ein eigenes Tagebuch angelegt, das sogenannte „Basement Diary“. Dort sammeln wir alle Ideen, von denen wir denken, dass man sie irgendwann einmal in einen Song mit einbauen kann.

MusikBlog: Klingt extrem spannend.

Tobias Preisig: Das ist es auch. Das Tolle daran ist, dass es keine Grenzen gibt. Wir müssen uns an keine Strukturen halten. Wir machen einfach. Das hat was Unverkrampftes und Befreiendes.

MusikBlog: Live setzt ihr dem Ganzen noch die Krone auf, wenn ihr eure Songs umarrangiert und ausweitet. Macht ihr euch da vorher schon einen Plan? Oder agiert ihr da auch spontan?

Alessandro Giannelli: Das kommt immer auf die Songs an. Es gibt Titel auf der EP wie beispielsweise die erste Single „Purple Air“, die klar strukturiert sind, und die auch live so präsentiert werden. Dann gibt es aber auch Songs wie „Sunbeam Scream“ oder auch „William“, die extrem improvisiert sind. Da toben wir uns dann natürlich auch live aus. So entsteht eine Balance zwischen klar definierten und ausbaufähigen Tracks. Und das macht die Sache letztlich so spannend.

MusikBlog: Neben der Geige und dem Schlagzeug hört man auf der EP auch einen Synthie-Bass. Den bedient Tobias mit einem Fuß-Pedal, richtig?

Tobias Preisig: Genau. Es gibt halt immer wieder Songs, bei denen wir merken, dass da noch etwas reinpassen könnte. Das nehmen wir dann aber alles selbst in die Hand.

MusikBlog: Eine Erweiterung des Personals kommt für euch demnach nicht in Frage?

Tobias Preisig: Nein. Das ist ganz klar unser Ding. Wir haben die komplette Platte zu zweit live eingespielt. Uns ist einfach wichtig, dass es echt bleibt. Wir haben lediglich ein Overdub benutzt. Auf dem Song „Ego Eins“ hört man im Hintergrund ein Theremin. Der komplette Rest kommt nur von uns beiden.

MusikBlog: Ich überlege mir bei instrumentaler Musik ja oftmals, welche Stimmen dazu passen könnten. In eurem Fall fielen sofort zwei Namen ein: Mike Patton und Loreena McKennitt.

Alessandro Giannelli: Mike Patton würde bestimmt super passen. (lacht) Ich glaube, diese chaotische Note hätte was. Wie hieß die Sängerin nochmal?

MusikBlog: Loreena McKennitt; ein kanadisches Stimmwunder mit Hang zu keltischen Braveheart-Klängen.

Tobias Preisig: Also Harmonie und Chaos? Ja, das klingt spannend.

Alessandro Giannelli: Ich hätte aber ein bisschen Angst vor Mike Patton. (lacht)

Tobias Preisig: Ich würde uns auch eher als Backing-Band für Beyonce sehen. (lacht) Aber im Ernst: Momentan beschäftigen wir uns nicht mit dem Gesang. Wir versuchen unsere Instrumente so zu präsentieren, dass man den Gesang nicht vermisst. Und so lange wir das Gefühl haben, dass das funktioniert und wir damit glücklich sind, wird es auch so bleiben. Es kann aber natürlich irgendwann passieren, dass dem nicht mehr so ist. Und dann sind wir natürlich auch offen und bereit für eine Veränderung. Momentan ist das aber kein Thema. Wir genießen jetzt erst einmal den Hier-und-Jetzt-Moment.

MusikBlog: ..der euch dieser Tage in Berlin auf die Bühne führen wird. Dort steht die Record Release Party an. Ihr wohnt mittlerweile auch in Berlin. Warum eigentlich?

Tobias Preisig: Wir sind einfach der Meinung, dass man die Zelte immer mal wieder neu aufschlagen sollte, wenn man kreativ bleiben will. Und Berlin ist momentan einfach der perfekte Ort für uns.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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