Manchmal steht am Anfang ein Ende – mit Bill Ryder-Jones‚ Karriere verhält es sich jedenfalls so. Der 32-jährige Engländer war Gründungsmitglied der Psychedelic-Rockband The Coral. Nach fünf Alben stieg Ryder-Jones aus: Erschöpfungszustände, Burn-Out, und das alles noch vor seinem 30. Geburtstag.

Der Entschluss, The Coral verlassen zu haben, entpuppte sich nach einer Weile der Besinnung und Regeneration als die genau richtige Entscheidung, denn nun drehte Bill richtig auf: Er spielte mit dem Liverpooler Philharmonie-Orchester und nahm ein avantgardistisches Album auf, das von einem Roman Italo Calvinos beeinflusst war.Daneben produzierte er andere Künstler, komponierte Filmmusik, spielte mit den Arctic Monkeys und The Last Shadow Puppets, nahm einen Werbesong für Converse mit Graham Coxon und Paloma Faith auf – und veröffentlichte ganz nebenbei mehrere Soloalben.

Klingt nach einem Workaholic? Kann sein. Vor allem aber ist Ryder-Jones ein hochbegabter Multiinstrumentalist, der gute Songs nur so aus dem Ärmel schüttelt – wobei er, man ahnt es beinahe, sehr selbstkritisch ist: Die Veröffentlichung seines neuen Albums  verschob sich um gut ein Jahr, weil er mit den Stücken unzufrieden war. Sein Label Domino nahm es gelassen, wahrscheinlich war allen Verantwortlichen klar, dass das Ergebnis, wann immer es kommen mag, gut sein würde.

Und das ist es: „West Kirby County Primary“, Nachfolger des hochgelobten „A Bad Wind Blows In My Heart“ ist in Bill Ryder-Jones‘ Kinderzimmer im Haus seiner Mutter in West Kirby entstanden – und hört sich ganz so an, als hätten Mutter und Sohn ein sehr entspanntes Verhältnis. Ryder-Jones spielt alle Instrumente selbst, der Schwerpunkt liegt auf der Gitarre, deren Klänge er nach Herzenslust durch den Verzerrer jagt oder auch ganz sensibel und zart anschlägt.

Die zehn Tracks sind so etwas wie die Essenz des Britpop der vergangenen zwanzig Jahre: Große Melodien, Stimmungsbandbreite von Melancholie bis Zorn, hohes Energielevel – ja, man denkt an Oasis, Arctic Monkeys, Babyshambles, The Coral, und doch hat dieser schluffig-fluffig daherkommende Ryder-Jones, der einen so verschmitzt aus der Badewanne angrinst, einen ganz eigenen Sound, eine eigene Stimme, die ihn von den Genannten abhebt. Mal klingt er erfahren und weise („Put It Down Before You Break It“), dann wieder voll jugendlicher Selbstzweifel, zum Beispiel auf der tollen Single „Two To Birkenhead“, mit Sonic-Youth-artigen Gitarrenausbrüchen am Schluss.

Mit nur 32 Jahren kann Bill Ryder-Jones auf ein beachtliches Werk blicken – und klingt doch so frisch und unverbraucht, als fänge er gerade erst an. Toller Typ.

Im Mai 2016 kommt Bill Ryder-Jones auf Tour durch Deutschland und Österreich.

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