Melt! 2008. Dauerregen, die Stimmung dümpelt kurz vorm Auftritt der Editors etwas vor sich hin, Tom Smith und Kollegen stürmen die Stage und ballern gleich zu Beginn ihren Smash-Hit „Smokers Outside The Hospital Doors“ unter das Volk, Menschen liegen sich in den Armen, der Festival Abend ist gerettet (übrigens das erste und einzige Mal, dass der Autor – getriggert von einem Serotonin-Schub während eines Konzertes – kurz auf den Schultern eines anderen Menschen saß).
Viel hat sich seitdem getan, ein Papillon flatterte über den dunklen 80er New Wave Sound von „In This Light And On This Evening“. Danach kamen einige Keyboards wieder in den Keller, die Gitarren wurden verstärkt eingestöpselt. 2013 folgte mit „The Weight Of Your Love“ eine Platte in Stadion-Format. Wachstum bereitet meist Schmerzen und jedermanns (bzw. jeder Fans) Sache war das nicht.
„In Dream“ soll jetzt laut Bandleader die Komponenten Pop und Experiment vereinen, dazu hat er sich mit seinen Mitstreitern Russell Leetch, Ed Lay, Justin Lockey und Elliott Williams in die Abgelegenheit der schottischen Highlands zurückgezogen, um in Ruhe an den Stücken arbeiten zu können.
Nach dem Einspielen das erste Experiment: Alan Moulder durfte die Songs mischen, ohne dass die Band ihren Senf dazugab. Teile des Ergebnisses gab es bereits vor Veröffentlichung zu hören, erst „No Harm“ (initial als Hidden-Track auf einer Werkschau des Play It Again Sam Labels erschienen), gefolgt von „Marching Orders“. Während sich „No Harm“ (das mit „Our Love“ auf der Platte auch noch ein Geschwisterchen hat) neben seiner dezenten Instrumentierung höchstens zur Deko eine kleine Kelle Synthie-Glitzer-Soße gönnte, lieferte die zweite Nummer eine Synthi-Breitseite in Killers Tradition, die mit dem Dark-Wave Stampfer „Life Is A Fear“ im weiteren Verlauf der Platte noch eine Steigerung erfährt.
Es wird also wieder elektronischer. Die Gitarren sind so konsequent in den Hintergrund gemixt, dass man Mühe hat, ihnen beim Schweben über die poppigen Beats zu folgen, fliegende Keyboardteppiche, verhaltene Piano-Themen und Streicher bestimmen die Arrangements. Das verbreitet manchmal die elegante Kühle von Klavierlack-Möbeln, wie in der Power-Ballade „Salvation“, von der man denkt, ihr so oder ähnlich bereits auf der „The Light The Dead See“ von den Soulsavers begegnet zu sein, versinkt alles in Moll.
Ein weiteres Experiment und Premiere zugleich: es gibt Duette. Drei Stück davon, alle mit der Sängerin Rachel Goswell von den Shoegazern Slowdive. Die schafft es in „Ocean Of Night“ (Album Highlight!), „The Law“ und der Semi-Ambient Nummer „At All Cost“ für etwas stimmliche Abwechslung zu sorgen, ohne dabei die Dominanz von Smith`s pathetischem Gesang ernsthaft zu gefährden, mit dem der Frontmann immer eine wohlig dichte Atmosphäre schafft, selbst, wenn er mit seinem vertonten Leiden manchmal etwas dick aufträgt.
Die Editors machen mit dem Album ihr Update zum Zeitgeist, klar bleibt aber: ob Gitarre oder Elektro, ob Stadion-Rock oder Indie-Disse, ob Pop oder Experiment: wo Editors drauf steht ist auch Editors drin. Die Band aus Birmingham bleibt musikalisch immer identifizierbar. Die Platte klingt besser als der Vorgänger, vielleicht ein bisschen zu glatt. Und was ihr fehlt, ist ein richtiger Hit.