Die Zerknirschtheit und Selbstzweifel nach dem Beziehungscrash, die sich in den Songs von “Tape Deck Heart“ wiederspiegelten, sind verschwunden. Die Deprigefühle waren gestern. Frank Turner hat sich sein Leben angeguckt und was er sah, war ja jetzt auch nicht ganz so übel. Nummer Zwei in England mit „Tape Deck Heart“. Wembley Stadion gespielt und bei der Eröffnungsfeier der letzten Olympiade vor 80.000 Zuschauern plus ein paar Millionen Fernsehzuschauer. Tendenz also steigend. Macht ja eigentlich also doch alles ziemlichen Spaß. „Goddammit! It’s great to be alive“ bekennt er dann auch in „Demons“.

Die Hauptthemen von „Positive Songs For Negative People“ sind: Stehaufmännchen sein, innere Stärke in sich suchen und finden, Optimismus und sich bloß nicht unter kriegen lassen. Also lauter positive Aussagen zum Thema Leben. Ok, steht ja auch so schon deutlich im Albumtitel.

Die musikalischen Mittel unterstützen das natürlich. Mit seiner inzwischen festen Begleitband The Sleeping Souls rockt er sich überwiegend extrovertiert mit voller Energie und Lebenslust durch die meisten Songs des Albums. Dass ihre Backingtracks live im Studio eingespielt wurden, verstärkt die offensive Haltung von „Positive Songs For Negative People“.

Wie durch eine Klammer zusammengehalten, umschließen zwei reine Akustiksongs die restlichen Stücke. Zu Beginn des Albums hört man Frank in die Aufnahmekabine schlurfen. Nach einem kleinen Ächzer legt er mit Stimme, Gitarre und „The Angel Islington“ los. „By the waters of Thames, I resolve to start again“ ist der Satz, der ihm schon eher programmatisch als erstes aus dem Mund kommt. Umso effektvoller drischt dann nach dem Stück der Anfang von „Get Better“ rein.

Überhaupt effektvolle Klassikrockarrangements. Turner scheint seine Achtziger Stadionrock-Lektion gelernt zu haben und kennt inzwischen alle Kniffe. So zum Beispiel bei „Josefine“ mit einem hundertprozentig mitgröhltauglichem Wohohoho-Chor an Anfang und Ende. Oder dem Halftime-Break im shuffeligen „The Next Storm“. Oder dem hymnischen springsteen-artigen Schlussspurt in „Mittens“. Klar, Wembley ist erreicht,  jetzt gilt es sich für mögliche weitere Auftritte in Arenen und Stadien zu rüsten. Und Amerika stünde ja eigentlich auch noch auf dem Plan.

Bruce Springsteen scheint bei den Aufnahmen von „Positive Songs For Negative People“ als geistiger Pate gerne mal über den Songs geschwebt zu haben. Hörbar zum Beispiel in „Mittens“, „Glorious You“ oder „Demons“. Auch seine folkige Seite bedient Turner. Bei „Out Of Breath“ in Form eines zügigen Folk-Punks und in „The Opening Act Of Spring“ mit einem ebenfalls eher uptempo gehaltenen Folk-Dancer. Ziemlich intim und aufrichtig wund wird es im letzten Stück “Song For Josh“. Live aufgenommen in Washington im Club von Josh Burdette, der sich vor zwei Jahren das Leben genommen hat und mit dem Frank Turner eng befreundet war. Hier zeigt Turner in Text und Vortrag und ohne Band seine ganze große emotionale Tiefe.

„Positive Songs For Negative People“ ist zwar nicht unbedingt bahnbrechend originell oder neu. Aber dafür gut gemacht. Und seiner vor Lebenskraft strotzenden Energie kann man sich wohl kaum entziehen. Man kann die Kristallkugel ruhig im Regal stehen lassen und sich so ausmalen, dass sehr viele Leute bei seinen kommenden Konzerten mit den neuen Songs jede Menge Spaß haben werden.

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