Schluss mit Lustig? Naja, nicht ganz. Aber schon anders. Jedenfalls haben K.I.Z auf ihrem fünften Album „Hurra Die Welt Geht Unter“ beschlossen, den Battle-Stab mal in die Ecke zu stellen und in ihren Stücken verstärkt die düsteren Seiten des Lebens in der Merkelrepublik anno 2015 ins Visier zu nehmen. Ein Themenwechsel nach zehn Jahren ist ja auch nicht ganz so falsch.

Diesmal also weniger auf alle Körperöffnungen zielende bissig, witzige Wortartistik, sondern durch aufmerksame Beobachtung des deutschen Alltags geformte dunkle Stories. Dabei bilden Themen wie Rechtsruck, Koks und Alk, Realitätsflucht, Gewalt, Karriereopportunismus, Armut, Krankheit, Gier, Bild-Propaganda und Flüchtlingsthematik, den Fundus mit denen sie diese Geschichten ausstaffieren. Diese Seite ist bei den Berlinern zwar nicht komplett neu, aber auf „Hurra Die Welt Geht Unter“ wird sie zum Hauptthema.

Das Album startet zwar noch klassisch mit der schön witzigen Megalomanie von „Wir“ („Kein Plan, warum ihr Christen, Moslems und Juden noch Streit habt. Allah, Jehova, Gott… Jungs duzt mich doch einfach“). Aber direkt im Anschluss zeigt „Geld“ durch plakatives, aber effektvolles Kontrastieren von Haben und Nichthaben ( „Vor ’nem prallgefüllten Schaufenster an Hunger krepieren (das ist Geld)“), dass der verbale Hammer diesmal in einer anderen Ecke hängt.

Auffallend ist, dass K.I.Z‘ Geschichten durch den Verzicht auf den Partyaspekt mehr Raum zur Entfaltung bekommen. So beleuchtet „Was Würde Manny Marc tun?“ die Realitätsflucht in Musik und Party von drei verschiedenen Perspektiven aus (Kindesmissbrauch, Behinderung und Flüchtling). Den Kitt bekommt das Stück durch seinen atzenmässigen Party-Hook. Ein ähnliches Prinzip kommt auch bei „Boom Boom Boom“ zum Einsatz. Ein bei den Vengaboys angelehnter Refrain bildet die Klammer für ein Stück über selbstzufriedenen, deutschen Untertanengeist („Ihr könnt im Wahllokal ankreuzen, wer den Puff besitzt. Es bleiben immer die gleichen Freier, den ihr ein‘ lutschen müsst“).

„Ariane“ ist quasi eine deutsche Version von American Psycho. Ein buckelnder Karriereopportunist lebt seine sadistischen Fantasien am Wochenende aus. „Superstars“ bringt eine zeitgenössische Variante von Bonnie und Clyde. Auch eigene Emotionen werden, ohne Rücksicht auf harte Jungs-Klischees, freigelegt. So rappt Tarek in „Freier Fall“ offen über den Trennungsschmerz nach dem Ende (s)einer Beziehung: „Es tut mir leid, ich ließ Dich allein in deiner Verzweiflung. Ich war auf der Bühne. Du hattest den Termin für die Abtreibung“. Der Ohrwurm des Albums ist natürlich der Titelsong. Immerhin schon eine Seltenheit, dass ein Song über eine postkapitalistische Welt nach dem Atomknall es auch in die Playlisten einiger Radiosender schafft.

Auch musikalisch ist „Hurra Die Welt Geht Unter“ für K.I.Z eine Weiterentwicklung. Während frühere Alben stilistisch schon mal gerne bunt zusammengewürfelt wurden, haben die dreizehn Tracks des Albums diesmal einen eleganten, organischen Sound.

Um herauszufinden, dass der Realismus von „Hurra Die Welt Geht Unter“ nicht konstruiert ist, genügt natürlich ein Blick in die Nachrichten oder auch einfach nur das gelegentliche Lesen von Kommentaren zu politischen Themen im Internet. Hinter der alltäglichen Fassade dieser Gesellschaft lauern eine Menge alltäglicher Monstrositäten und Elend wird gerne ignorierend in Kauf genommen, solange der eigene Status Quo stimmt. Klar, was K.I.Z erzählen, ist definitiv nicht alles selbst erfahrene Wirklichkeit. Aber gute Beobachtungsgabe und realistisch weiterdenkende Fantasie gehörten schon immer zum Handwerkszeug guter Rapper. Welche Schlüsse man aus diesen gesellschaftlichen Zustandsbeschreibungen zieht, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. In Zeiten des zunehmend wieder aufflackernden „Am deutschen Wesen wird die Welt/Europa genesen“-Nationalismus ist „Hurra Die Welt Geht Unter“ jedenfalls  kein unwichtiges Album.

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