An den vergangenen beiden Tagen ging das von Kraftklub organisierte Kosmonaut-Festival in seine dritte Runde. Organisiert bedeutet in diesen Fall nicht nur das Koordinieren der Abläufe, sondern das physische Wirken vor Ort, Aufbau, Abbau – immer sind die Jungs um Sänger Felix Brummer live dabei. Mit viel Herzblut und Bodenhaftung, wo sonst werden die Anwohner via Aushang über das Anliegen der Veranstalter informiert und ausdrücklich als Gäste auf das Festival eingeladen?

Wie immer glich die der Anreise der meisten Gäste der ausgelassenen Stimmung einer Abi-Abschlussfahrt, Erziehungsberechtigte luden unablässlich ihren Nachwuchs samt Festival-Survival-Package vor dem Eingang ab und die diesmal geänderte Verkehrsführung ermöglichte eine zügige Einfahrt auf den Parkplatz. Auch das Wetter hatte ein Einsehen, das erste gemeinsame Happening am Bändchentausch war wohltemperiert, die Stimmung war schon vor dem ersten Ton bestens.

Es dauert aber seine Zeit, bis alle Karten in das Wrist-Band getauscht sind, Zelte aufgebaut, die ersten Paletten Bier auf den Campingplatz geschleppt (Bier kann beim Kosmonaut auch in gekühlter Form vorbestellt werden) und das Grillgut gar ist, so dass sich das Gelände am frühen Freitag-Nachmittag schleppend füllte. Neben dem Tanztempel gab es diesmal zwei Bühnen auf dem liebevoll gestalteten Areal vor der schönen Kulisse des Stausees. Der Kosmonaut-Schriftzug war nach der Schwimm-Attacke einer Besucherin im letzten Jahr diesmal sicher am gegenüberliegenden Ufer befestigt.

Während auf der kleineren Noisey-Bühne Bombee und Olympique ihre Sets zu einer Zeit absolvierten, bei der mancher Besucher gerade seine Mittagspause beendete, blickten Schmutzki 15.30 Uhr als Opener auf der Hauptbühne dann auch eher in Lücken, denn auf Gäste. Aber dass „15 Uhr auf Festivals, 30 Gäste bei der Show“ kein schlechtes Omen für Musiker sind, besangen schon Kraftklub in „Unsere Fans“. Viel voller war es beim Auftritt der kurzfristig für die krankheitsbedingt ausgefallenen Wanda eingesprungenen Milliarden auch noch nicht, vielleicht weil einige (paarungs-) willige Menschen sich noch im Herzblatt-Studio eine Event-Begleitung organisieren wollten.

Nicht recht entscheiden wollte man sich danach zwischen den melancholischen Liedern von Fink oder den Newcomern des letzten Jahres Trümmer. Sich per Stage-Hopping von allen etwas auf die Ohren zu geben, war in diesem Fall der Königsweg.

19.15 Uhr zur ersten Primetime dann auf der Hauptbühne der Mann des Volkes Thees Uhlmann, der mit einem Potpourri aus seinen beiden Solo-Alben die Stimmung deutlich nach oben trieb, wenngleich er es mit dem durch die Splash-Vergangenheit des Veranstaltungsortes tendenziell hip-hop-affinen Publikum nicht leicht hatte. Aber die selbsternannte „Hip-Hop-Ikone aus dem Norden“ setzte mit seiner ehrlichen Rock-Musik ohne Allüren und seiner formidablen Band an seiner Seite das erste Ausrufezeichen in dem auch Tomte-Klassiker nicht fehlten. Allerdings konnte auch sein toller Auftritt nicht verhindern, dass in der Schlussviertelstunde eine gewisse Verlagerung zur kleineren Bühne erfolgte, wo die neuen Rap-Helden Zugezogen Maskulin die Menschen mit ihren derb-realen Lyrics in ihren Bann zogen und aus dem Herzen sprachen, „Plattenbau O.S.T.“ und „Endlich Wieder Krieg“ inklusive.

Nächstes Highlight: Beatsteaks. Sänger Arnim Teutoburg-Weiß, zwar mit Beinverletzung gehandicapt zu Beginn sitzend oder mit Stock unterwegs, kündigte ein nur aus Singles bestehendes Set an, was im Fall der Berliner (Ost-Berliner, um genau zu sein und wie die Band auch nimmermüde betont) Gassenhauer folgt Gassenhauer bedeutet. Der Punk-Rock und die Frontsau-Qualitäten des Sängers ließen die jetzt reichlich versammelte Crowd ordentlich schwitzen.

Leicht zeitversetzt spielen am anderen Ende derweil die Audiolith-Veteranen Egotronic, der Auftritt der norddeutschen Elektro-Punks, die neben Bewährtem auch Material ihres neuen Albums „Egotronic, C’Est Moi!“ vorstellten.

Halb elf, die Spannung stieg, die letzten Wetten hinsichtlich des geheimen Headliners (zu gewinnen gab es ein Wohnzimmer-Konzert mit K.I.Z.) wurden im Wettbüro abgegeben. Nachdem im letzten Jahr Fettes Brot in dieser Funktion das Festival am Samstag abschlossen hatten, wartete man, was sich hinter dem Vorhang zusammenbraute. Viele Namen machten die Runde, mehrfache Nennung war Marsimoto, aber auch Dendemann galt als Geheim-Tipp.

Mittlerweile waren 95% der Besucher vor der großen Bühne versammelt, ein Intro, der Vorhang fiel, ein Jubel, denn-„Oh mein Gott dieser Himmel“- Marteria stand vor den Leuten. Der lieferte eine Riesen-Show, zog mit Casper einen Überraschungs-Gast aus dem Ärmel, verschwand nach einer halben Stunde, um im goldfarbigen Alien-Kostüm als sein Alter-Ego Marsimoto wieder aufzutauchen und mit Helium-Stimme Kiffen und Bambule zu feiern.

Nach dieser Performance verwandelte er sich wieder zurück, um ein Finale in Stadion-Rock Qualität einzuleiten. Am besten hätte er weitergespielt bis die Wolken wieder Lila sind.

Um Mitternacht war dann Zapfenstreich auf der Mainstage, schnell noch zum Absacker mit Haftbefehl auf der Noisey, es konnte natürlich noch kräftig auf der Aftershow-Bühne und Blume Oper Air weiter gefeiert werden.

Als das Festival-Gelände am Samstag wieder geöffnet wurde, hatten einige in der Traube stehenden Badewillige schon das ein oder andere Konter-Bier auf dem Deckel, aber der einsetzende Nieselregen bescherte wie im vergangenen Jahr den Orts-Baywatchern einen entspannten Nachmittag. Und apropos entspannt: das Verhältnis von Besuchern und Security kann man auf diesem Festival als freundschaftlich bezeichnen, da gibt es kein Murren, wenn das Gelände mit halbstündiger Verspätung öffnet, es gibt keine großangelegten schwarzbehandschuhten Leibes-Visitationen – alles geschieht eher auf Vertrauensbasis.

Leider hatte das Wetter im Verlauf des Nachmittags nicht die ganz große Lust auf gute Musik, es goss inzwischen in Strömen, ein Zustand an dem sich in den nächsten zwei Stunden auch nichts änderte. Und so eröffnete Jesper Munk mit seiner Band um halb vier auf der großen Bühne den Tag vor schütter besetzten Reihen, der Junge hätte mit seinen grimmigen Blues-Rock in Jack White Manier mehr Aufmerksamkeit verdient. Balthazar hatten dann mehr Glück, es wurde trocken. Allerdings wollte bei ihrem Auftritt, der ohne großartige Amplituden blieb, der Funke nicht überspringen, war der doch insgesamt auch ein wenig zu glatt. Die Dance-Veteranen von Future Islands fuhren dann schon eher ins Tanzbein, überzeugten mit Stimmakrobatik und viel Drive.

Auf der kleineren Bühne gaben sich derweil Nachwuchs-Musiker die Klinke in die Hand, im Gedächtnis haften blieben vor allem Der Ringer mit ihrer Verkopftheit in Hamburger-Schule Tradition und der quirlige Indie-Pop von Razz. Wer zwischendurch genug von so viel Musik hatte, konnte sich zur Abwechslung im Comedy Club bestens unterhalten lassen.

Als nächstes gingen AnnenMayKantereit an den Start. Die drei Männer aus Köln, mit „Barfuß Am Klavier“ gerade frisch gekürte Gewinner des Web-Video Preises in der Kategorie Music Video, sind ja eher für Zwischentöne in sonoren unpeinlichen Songs über die großen Gefühle in Tom Waits-Athmosphäre bekannt. Man durfte gespannt sein, ob das auf einem solchen Festival funktionieren würde. Es funktionierte und wie, mit der außergewöhnlichen Stimme von Sänger Henning May jagten die Jungs zusammen mit ihren Gastmusikern die ein oder andere Gänsehaut über den Rücken.

Auf der kleinen Bühne rockten das Husumer Quintett Vierkanttretlager, derweil als erster überregional bekannter Act. Mit vollem Körpereinsatz präsentierte Sänger Max Richard Leßmann neben Songs aus ihrem tollen neuen Album „Krieg Im Krieg“ aber auch Klassiker wie „Fotoalbum“ mit Schunkeln und Akkordeon.

Inzwischen hatten sich nahezu alle Besucher (abzüglich nur die, die in langen Reihen an der Toilette anstanden) vor dem Vorhang der Hauptbühne versammelt und warteten auf K.I.Z.. Als dann der Vorhang fiel, schwenkten alle die vom Promo-Team am Nachmittag verteilten orangen „Kannibalen in Zivil“ Fähnchen. Die drei Berliner und ihr DJ lieferten wie bestellt, „Urlaub Vom Gehirn“, „Hurensohn“ alles war mit dabei. Die Jungs performten, dass man nicht recht wusste, ob man den Gewinner des Wohnzimmer-Konzertes beglückwünschen oder bedauern sollte, vor allem als die Rapper am Ende die Bühne zerlegten.

Dass es bei Festivals zu ungewöhnlichen Kollaborationen kommen kann, bewies der Gastauftritt von Henning May (O-Ton K.I.Z.:„Was für eine Stimme-das Schwein“) bei der neuen Single „Hurra Die Welt Geht Unter“. Als dann Kraftklub zum ersten Mal auf ihrem eigenen Festival antraten, geriet das Heimspiel völlig zu Recht zum Triumphzug der Chemnitzer. Über deren Live-Qualitäten haben wir schon mehrfach berichtet, das Publikum gab sein Letztes, im Prinzip hätte nur der Takt vorgegeben werden müssen, den Rest hätten die anwesenden Gäste übernommen.

Auch wenn das Kosmonaut mit 15.000 Gästen an seiner Kapazitätsgrenze angelangt zu sein scheint, war es mit mit Sicherheit wieder eine der gelungensten Partys des Jahres. Danke Kraftklub und bis zum nächsten Mal am 24./25.06.2016!

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