Rock and Roll, baby! Das zehnte Album der Blues Explosion kickt deinen faulen Sofaarsch. Dass man nach der achtjährigen Sendepause überhaupt noch mit Output einer der derbsten aller Blues-Rock-Bands rechnen durfte, war die große Überraschung vor drei Jahren, als mit „Meat & Bone“ ein Trio und ihr Sound Auferstehung zelebrierte, das ein echtes Phänomen der Neunziger war. Winona Ryder in einem Musikvideo einer angesagten Rock-Band, anyone? Für euch Digital Natives: Das war ungefähr das gleiche, wie die nackte Miley auf dieser Abrisskugel, nur in cool, nicht in niveaulos.
„Freedom Tower: No Wave Dance Party 2015“ ist im Gegensatz zum durchaus rockenden Comeback-Album „Meat & Bone“ um einiges blues-punkiger, blues-elektrifizierter. Oh ja, die Uptempo-Nummern der Black Keys sind noch lange nicht das hochenergetische Ende der Blues-Rock-Fahnenstange. „Freedom Tower…“ ist ein richtiger Rückfall in verschwitzte, verrauchte, angetrunkene Zeiten, als Jon Spencer, Judah Bauer und Russell Simins jung und aus den Hormondrüsen gut ballernd unterwegs waren.
Spencer bellt verzerrt und mit Echo Kommandos, wie dem Jungbrunnen entstiegen, Bauer schüttelt einen hard-groove aus seiner Gitarre, als hätte er im letzten Jahr zum ersten Mal Punk entdeckt, nachdem er des Daseins als Cat Powers Studiogitarrist überdrüssig wurde, und Simins zündet wieder punktgenau scheppernde Detonationen, die das „Explosion“ in die Blues Explosion bringen.
Und „Freedom Tower…“ ist rasant, richtig flott, keine 35 Minuten brauchen die New Yorker ohne Prolog und Exposition, um ihre Blues-Rock-Litaneien herausjammen. Das erste Album, das thematisch ihrer Heimatstadt gewidmet ist, fällt mit der Tür ins Rock-Haus und behandelt die eher unrühmlichen Facetten der Weltmetropole, ein Lobgesang à la Frank Sinatra wäre auch reichlich unauthentisch bei derlei groovenden Derbheiten. Korrupte Polizisten, erfolglose Künstler, selbstverliebte Promi-Köche, alleingelassene Prostituierte: „Freedom Tower“ besingt, betanzt, umschüttelt die Randständigkeiten und Obskuritäten einer Megacity, die jede gesellschaftliche Ambivalenz problemlos ins sich vereint.
Was dem Vollgas-Rock’n’Roll der Jon Spencer Blues Explosion auch nach rund 30 Jahren Existenz so unwiderstehlich macht, ist seine absolut anziehende Tanzbarkeit. Wiewohl hart, schnell und mit jeder Menge Punk versehen, erleben wir kein testosterones Geknüppel mit den legendären Blues-Rockern aus dem Big Apple. Es ist die sexy Seite schneller Rockmusik, hüftschwingend und fingerschnippend, die hier zelebriert wird, und auch im Jahre Zwanzig-Fünfzehn gibt es weit und breit niemanden, der diesen Job besser kann (ehrenvolle Erwähnung vielleicht noch den Underground-Soul-Punkern von The Bellrays).
Deren Bandmotto ist auch für Spencers Kombo, und insbesondere für ihr zehntes Album, ein pointierter Slogan: „Blues is the teacher, punk is the preacher“.