Auch wenn es auf seiner Homepage geschrieben steht: Ein Schnulzensänger aus den Bergen ist Dagobert nicht. Dass er nach fünf Jahren im selbstgewählten Exil der Graubündener Alpen nach Berlin zurückkehrte (wo er vorher bereits ein halbes Jahr musik-stipendium-finanziert verbrachte) und eine signifikante Menge von Songs mitbrachte, welche eine Nähe zum Schlager vereinte, reicht bei aller Jonglage mit gängigen Genre-Klischees nicht für diese Bezeichnung aus.

Die erste Lieferung des Materials welches in seiner kleinen Hütte entstand, wurde 2013 von Markus Ganter (arbeitete zuletzt mit Tocotronic und Casper) produziert und auf Dagoberts selbstbetiteltem Debütalbum präsentiert.

Die Lieder kokettierten mit Elektro-Pop und Flippers-Schlagzeug Passagen, klangen autark befruchtet (woher sollte der externe Input auch kommen, wenn vor der Tür der Schnee zwei Meter hoch lag und laut eigener Aussage ein Verlassen der Unterkunft unmöglich war), wurden mit charmantem Akzent und hingebungsvoller Inbrunst zelebriert.

„Ich stupf all meine Liebe und all meinen Hunger hinein“ hieß es bei den Lassie Singers im Stück „Das Kissen“ und genau so klang die ganze Platte von Dagobert. Ob „Morgens Um Halb vier“ oder „Ich Bin Zu Jung“: die Musik rekrutierte eine beachtliche Anhängerschaft vom Schlagermove-Freund bis zum Indie-Hipster.

Jetzt gibt es die nächsten 11 Stücke aus der Feder vom Schweizer, der mit bürgerlichen Namen Lukas Dagobert Jäger heißt, und dazu haben sich illustre Gäste eingestellt:

Wunderknabe Konstantin Gropper spielte zusammen mit seiner Schwester Streicher und Gitarren ein, im Wortsinn heavy wird es bei Mille Petrozza. Der Sänger der Essener Band Kreator steuert für den bekennenden Metal- und Scorpions-Fan Dagobert seine Interpretation vom Umgang mit dem Saiten-Instrument bei.

„Deiner eigensten Enge gilt die Lichtung als Weite“ dichtete einst Jochen Distelmeyer, und wenn Dagobert im Titelstück „Denn ich geh nach Afrika/mit meinem Herz bin ich schon da/Und singe mit den Affen Uah-uah-Ah/Leb wohl/Ich verschwinde aus der Zivilisation“ singt, scheint er auf dem Kontinent seine persönliche Lichtung entdeckt zu haben.

Aber so bunt das Art-Work der Platte auch ist, Dagobert ist mit seinen Themen so weit vom Facettenreichtum der dort abgebildeten Vegetation entfernt wie seine einstige Bergbehausung vom Kap der guten Hoffnung.

Es dreht sich weitestgehend um das Erkennen, das Gewinnen und den Umgang mit dem Lieblings- Menschen in guten wie in schlechten Zeiten. Die Lyrics spielen mit Anmut und Naivität, musikalisch geht es deutlich voluminöser zu als noch auf dem Erstling.

Die Stücke öffnen sich dem Chanson, die Gast-Musiker tun dem Album gut, so verpasst die Handschrift des Get-Well-Soon-Duos schlichten Melodien ein gehöriges Upgrade.

Petrozzas kompromissloser Einsatz in „Wir Leben Aneinander Vorbei“ bereichert genauso wie sein zweiter Part im, sich direkt auf Afrika beziehenden, „Am Natronsee“, auf dem sein Instrument die Atmosphäre eines Neo-Western verbreitet.

Zwischen Kriminal-Tango und „Don`t Cry For Louie“ tänzelt „Rede Mit Mir“ über die Platte, während sich „Moonlight Bay“ seufzend an Chris Isaacs Schulter lehnt.

„Jenny“ (die Frau welche den chronisch klammen Künstler aus dem Hinterzimmer eines Berliner Cafes befreite) tendiert hingegen etwas zu arg in Richtung Dieter-Thomas-Heck-Gedächtnis-Nummer.

Wenn Dagobert am Ende des Albums „Das Traurige Ende Eines Schönen Tages“ anstimmt und mit den Zeilen „Manchmal traurig, manchmal froh, das war bei mir immer so“ eine ähnlich ausgelassene Stimmung verbreitet wie Die Heiterkeit in „Die ganzen müden Pferde“, ahnt man, warum der Musiker stets mit ernster Miene über sich und seine Musik spricht:

Er meint tatsächlich alles ernst.

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