Sobald es draussen ungemütlich wird und der Wunsch nach Wärme und Nähe aufkommt, stehen zwei Optionen zur Auswahl. Entweder man verkriecht sich daheim mit einer Tasse heissem Tee unter einer Wolldecke oder man hat das Glück, dass Kasabian gerade auf Tour sind und einem wahrlich Feuer unter dem Hintern machen, so dass man im Publikum Gruppenkuscheln mit hohem Schwitzfaktor zelebrieren kann und garantiert für Nächstenliebe im Raum gesorgt ist. Einmal von den fliegenden Bierbechern abgesehen, die einen schon einmal unliebsam als Wurfgeschoss treffen können.

Dass das Berliner Publikum ganz heiss auf einen Abend war, der bei Kasabian Konzerten im Allgemeinen immer ein hohes Maß an freigesetzter Energie und Euphorie verspricht, wurde bereits deutlich als die Berliner Columbiahalle schon beim Support Pulled Apart By Horses nur noch wenig Raum bot, um die herein strömenden Fans aufzunehmen. Einige waren weit gereist, um dem Event beiwohnen zu können. Davon zeugten sowohl englische als auch die polnische Flagge in den ersten Reihen. Wem noch etwas Reisemüdigkeit in den Knochen steckte, der wurde bei Pulled Apart By Horses mit Sicherheit musikalisch wachgerüttelt bzw. vom stimmlichen Frontalangriff von Sänger Tom Hudson aus der Samstag-Abend-Lethargie gerissen. Wenn dieser nicht den verbalen Aufstand probte und sich gleichzeitig zusammen mit seinen Bandkollegen die Finger wund spielte, betonte er wiederholt seine Liebe zu Berlin.

Die Gliedmaßen des Publikums schienen derweil schon gut aufgewärmt, so dass beim anschließenden Set von Kasabian durchweg auf höchster Stufe weiter gefeiert werden konnte. Die aus Leicester stammende Band, die in diesem Jahr ihr fünftes Studioalbum „48:13“ veröffentlichte, betrat unter einem riesigen Aufdruck eben jener Zeitangabe mit leichter Verspätung die Bühne und gab sich ab des ersten Songs „bumblebeee“ betont cool und angriffslustig zugleich. Sänger Tom Meighan zog es vor sich im Sonic Youth Shirt und mit Sonnenbrille auf der Nase gegen das grelle Licht abzuschirmen und warf sich am Bühnenrand, immer die Fans im Blick, in seine Posen, die selbst in minimalistischer Ausführung einen großen Effekt beim Publikum hervorriefen. Ein kleiner Wink oder Augenkontakt genügte, um die tanzwütige Masse noch weiter anzustacheln.

Gitarrist Sergio Pizzorno hingegen wirkte mit der üblichen Wuschelfrisur, dem dadurch klein wirkenden Gesicht und einem am seinem Hinterteil fixierten Fuchsschweif eigenartig kostümiert. Statt bissigem Fuchs erinnerte dieser vielmehr an ein Frettchen, was sein Gitarrenspiel jedoch zum Glück nicht ansatzweise in Mitleidenschaft zog, hatte man sich erst einmal an das merkwürdige Accessoire gewöhnt, das durch die aufgewirbelte Luft eines Ventilators beständig hin und her wedelte. Derweil rannte Pizzorno auch schon einmal mit gekrümmtem Rücken wie ein Gorilla über die Bühne. Stets leicht tänzelnd wie ein Boxer mit Affen-Motorik.

Einmal vom optischen Fauxpas abgesehen, tappten Kasabian an diesem Abend wie erwartet in keine Falle, was ihre eigentliche Performance anging. Man merkt ihrer Show an, dass sie seit einigen Jahren auf den großen, internationalen Bühnen unterwegs sind. Und doch konzentrieren sie sich selbst mit Laser-Einsatz im Rücken auf das Wesentliche und bleiben nach wie vor eine Band, die es vor allem versteht die eigenen Songs ins rechte Licht zu rücken. Die Laser-Effekte bleiben sporadisch und Kasabian wissen um die geballte Faust, mit der ihre Musik auf die Anwesenden niederschlägt. Dafür braucht es nicht mehr und der Zuschauer wird nicht erst durch die Licht-Technik vom Bombast eingewickelt, der das gesamte Set über anhält.

Mittlerweile sind Kasabian in einem Stadium angekommen, in dem sie aus einem so großen Repertoire schöpfen können, dass ihr Auftritt einem wahren Greatest-Hits-Charakter gleichkommt. So reihen sich Songs wie „Shoot The Runner“, „Where Did All The Love Go?“, „Processed Beats“, „Club Foot“, „Empire“ oder auch Stücke des aktuellen Albums „48:13“ wie „eez-eh“ oder „treat“ aneinander. Das neue Material, das mit viel Synthesizer-Untermalung auf dem Album noch etwas gewöhnungsbedürftig erscheint, hat dagegen auf der Bühne mit keinerlei Annäherungsschwierigkeiten zu kämpfen. Das Publikum wird bis auf wenige Ausnahmen in ständige Alarmbereitschaft versetzt und dankt es der Band mit Moshpits im Minutentakt. Selbst beim verhältnismäßig ruhigen „bow“, bei dem Serge Pizzorno ausnahmsweise zur Akustik-Gitarre greift.

Im Zugaben-Set schlich sich überraschenderweise Fatboy Slims „Praise You“ auf die Setlist, das Tom Meighan würdig am Mikro zum Besten gab, während der Rest der Band die Cover-Version langsam ins eigene Stück „L.S.F.“ hinüber gleiten ließ. Wie sagte Tom Meighan gegen Ende der Show so schön: „Berlin, you are a fucking empire!“ und damit hat er zumindest nicht ganz Unrecht, wenn man diese Aussage auf den überschwänglichen Empfang bezieht, den das Berliner Publikum der Band bescherte. Fakt ist, Kasabian waren an diesem Abend zweifelsohne die Könige dieses Reiches und verschenkten am Ende des Konzertes dankbar und fast schon ein wenig demütig all ihr Hab und Gut, was sich irgendwie ins berauschte, glückliche Publikum werfen ließ. Die Krone haben sich Kasabian mit dieser Show selbst aufgesetzt.

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