Hamburg war einst die Hauptstadt des deutschen Hip-Hop. Samy Deluxe, die Absoluten Beginner und viele andere Künstler der Hansestadt zogen aus, um die ganze Republik mit ihrem Sound zu beglücken. Doch in den letzten Jahren wurde es stiller um die Metropole im Norden.
Höchste Zeit, das zu ändern. Dafür wurde die (größtenteils deutschsprachige) Rap-Prominenz nach Wilhelmsburg eingeladen – um gemeinsam auf dem Spektrum-Festival den musikalischen Glanz vergangener Tage wieder aufleben zu lassen.
Zum dritten Mal gastierte das Festival bereits an der Alten Schleuse, doch in diesem Jahr war das Line-Up so vielversprechend wie noch nie. Auf drei Bühnen gaben sich nationale und internationale Stars und Newcomer die Klinke in die Hand. Den Reigen eröffnete Perera Elsewhere auf einer ganz besonderen Bühne. Die Veranstalter hatten nämlich ein geräumiges Zirkuszelt auf dem Gelände aufgestellt. Das brachte gleich zwei Vorteile mit sich: Erstens bot es eine erstklassige Location und zweitens bekam man durch die Wände wenig von den anderen Bühnen mit und konnte sich ganz auf die Musik einlassen. Perera Elsewhere wusste das gleich für sich zu nutzen und nahm die Zuschauer – obwohl ihre Band kurzfristig ausgefallen war und sie improvisieren musste – mit ihrer experimentellen Musik ein.
Auch auf der Hauptbühne mit dem schönen Namen „Maschinenraum“ ging es von Anfang an gutgelaunt zur Sache. Der aufstrebende Rapper Sierra Kidd testete die Textsicherheit seines Publikums – und wurde zufrieden gestellt. Das Festivalgelände füllte sich schnell. Bereits bei Ahzumjot, dem dritten Act im Maschinenraum, war die Wiese voll. Der gebürtige Hamburger fühlte sich auf dem Spektrum offenbar besonders wohl und performte sogar einen Song von seinem kommenden Album „Nix mehr egal“.
Währenddessen hatte Chefket im Zelt mit der Technik zu kämpfen. Die Mikrofone wollten einfach nicht anspringen. Das Publikum wurde unruhig, doch nach einer Viertelstunde war das Problem behoben und Chefket legte gemeinsam mit seiner Band einen der besten Auftritte des Festivals hin. Doubletime-Rap, Running Man-Einlagen, B Boy-Circle und Pogo – da war alles dabei.
Auf der Red Bull Music Academy Stage ging es derweil ruhiger zu. Hier legten Produzenten und DJs ihre Musik auf, doch am Nachmittag war die Konkurrenz auf den anderen beiden Bühnen scheinbar noch zu groß. So war der Zuschauerraum nur überschaubar gefüllt, obwohl Szenegrößen wie James Pants und Stwo an den Plattentellern standen.
Es gab aber auch wirklich gute Gründe, sich vor der Hauptbühne aufzuhalten. Dort verschenkte Karate Andi, der kurzfristig für Stalley eingesprungen war, großzügig Dosenbier an seine Fans. Außerdem wurde hier mit Spannung auf den wichtigsten Act des Tages gewartet.
Um 20:20 Uhr betrat Haftbefehl die Bühne und fast alle Festivalbesucher fanden sich dazu am Maschinenraum ein. Selbst die Rapkollegen, z.B. Gerard, Hiob & Morlockk Dilemma, Audio88 und Yassin ließen sich den „Babo“ nicht entgehen, der fast eine Stunde lang seine größten Hits darbot.
Neneh Cherry, die anschließend auftrat, zog ein etwas älteres Publikum an, aber brachte auch dieses zum beschwingten Tanzen und Mitsingen. „Nicht schlecht für 50 Jahre, oder?“, fragte die Sängerin und hatte damit definitiv recht. Zusammen mit Rocketnumbernine bot sie eine große Show. Auch bei den DJs füllte sich die Tanzfläche nun. Araabmuzik und Onra zogen die Massen noch einmal an.
Im Zelt vertrat Psaiko.Dino ebenfalls die Produzenten-Gilde. Den Abschluss bildeten schließlich die Betty Ford Boys und Sinjin Hawke, die damit die Aufmerksamkeit bekamen, die Producern gebührt.
Ein runder Festivaltag war es. Ein exquisites Line-Up, das es einem schwer machte, sich als Zuschauer für eine Bühne zu entscheiden. Der Blick auf das Wasser, den Rethe-Speicher und die Hafenkräne, der dem Spektrum beinahe etwas Romantisches verlieh. Die perfekte Mischung aus Hip-Hop und Elektro. Und dann auch noch hervorragendes Wetter. So darf es nächstes Jahr gerne wieder werden.