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Vom Start-Up-Unternehmen zum Debütalbum – Mighty Oaks im Interview

Mighty Oaks (Credit Bowen Ames:Universal)

Mitten im Berliner-Großstadtdschungel arbeiten Mighty Oaks fleissig Monat für Monat an ihren Songs, spielten sich leidenschaftlich von einer zur nächsten Club-Bühne und nahmen in Eigenregie EP’s auf. Dass dabei der Erfolg selbst an einem Künstler freundlichen Ort wie der Hauptstadt nicht auf Bäumen wächst, sondern viel Selbstdisziplin und Motivation nötig ist, spürte das multikulturelle Trio aus den USA, UK und Italien dabei immer wieder auf’s Neue. Mit dem Ergebnis, dass Ian Hooper, Claudio Donzelli und Craig Saunders geduldig eine Hürde nach der nächsten erklommen und irgendwann die Aufmerksamkeit von Major-Labels auf sich zogen. Anlässlich ihres Debüts „Howl“ trafen wir Zwei-Drittel der Band, um mit ihnen über Startschwierigkeiten, den Stellenwert eines Debütalbums und die zeitgenössische Folk-Szene zu sprechen.

MusikBlog: Obwohl ihr gerade euer Debütalbum „Howl“ veröffentlicht habt, seid ihr schon lange als Band auf einer physischen und mentalen Reise zusammen unterwegs. Sind die Songs so etwas wie ein Souvenir dieser Reise?

Ian Hooper: Ja, das sind sie. Wir haben ungefähr eineinhalb Jahre damit verbracht Songs zu schreiben und diese dann aufzunehmen. Die Stücke sind sehr repräsentativ für diese Zeit in unserem Leben und werden uns immer wie ein kleines Souvenir dieser Phase begleiten. Es ist schön zu wissen, dass man solche Momente musikalisch festhalten kann. Man hat nur einmal die Gelegenheit ein Debütalbum zu veröffentlichen. Darum haben wir das Bestmögliche getan auch mit dem Resultat glücklich zu sein.

MusikBlog: Welche dieser Momente waren aussergewöhnlich schön für euch?

Ian Hooper: Da gibt es viele. Wir haben einige tolle Shows gespielt. Vor allem das Konzert mit Kings of Leon in der Waldbühne oder die Tour mit den Shout Out Louds waren großartig. Ebenso die Veröffentlichung unserer „Just One Day“ EP und die darauf folgenden sehr positiven Reaktionen. Wir hatten das Glück ein tolles Team um uns herum zusammenstellen zu können, einen Vertrag bei BMG und Universal zu bekommen und einen wunderbaren Manager an unserer Seite zu haben. Es war ein gutes Gefühl das Vertrauen in unsere Songs mit anderen Menschen zu teilen und damit auch ein wenig der Kontrolle abgeben zu können.

MusikBlog: Wenn man als Band so lange hart arbeitet, wie real erscheint es dann auf einmal die ersehnten Lorbeeren dafür einzufahren?

Ian Hooper: Es fühlt sich alles sehr surreal an.

Claudio Donzelli: Unglaublich!

Ian Hooper: Ich warte immer noch auf den Moment, indem alles in sich zusammenfällt. Das Album erscheint doch nicht und niemand kommt mehr zu unseren Shows usw. Manchmal frage ich mich, wann das wohl alles vorbei sein wird, aber bis dieser Fall eintritt, versuchen wir es so gut es geht zu genießen.

MusikBlog: Ist die Geduld über all die Zeit euer treuester Gefährte geworden? Immerhin habt ihr euch nicht übereilt in die Arbeit zum Debüt geworfen, sondern euch mit EP’s und zahlreichen Shows vorangetastet.

Ian Hooper: Ja, wir haben allerdings lernen müssen geduldig zu sein und zu akzeptieren, dass manche Dinge eben Zeit brauchen. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir das Album schon letzten Sommer veröffentlicht. Im Nachhinein wäre das aber ein Fehler gewesen. Es war also gut nichts zu überstürzen.

Claudio Donzelli: Obwohl es manchmal schwer ist, hat es auch etwas für sich den Zeitfaktor nicht zu umgehen, sondern ihm den nötigen Raum zu geben. Um zu wachsen, muss man sich der Zeit anpassen und geduldig sein.

Ian Hooper: Zuerst planst du jeden noch so kleinen Schritt sorgfältig, dann passiert auf einmal alles ganz schnell und es geht nur noch um’s Zeitmanagement. Du bist wie in einem Rausch und die Dinge brechen wie eine Art Flut über dich herein. Und trotzdem musst du den Kopf über Wasser halten und vorausdenken. Die Geduld wird einerseits wirklich zu deinem besten Freund und dann wiederum zu einem Fremden in der Ferne.

MusikBlog: Welchen Stellenwert hat ein Debütalbum bei einem Major-Label heutzutage für euch? Mittlerweile kann jeder im Internet nach Lust und Laune Songs veröffentlichen, Crowd-Funding-Kampagnen starten und es braucht nicht einmal mehr ein Label dahinter.

Ian Hooper: Bei einem Major-Label unter Vertrag zu stehen, bedeutet eigentlich nur, dass die Maschine hinter allem größer ist. Wir wollten so lange wie möglich unseren Independent-Status aufrechterhalten, aber wir sind irgendwann an den Punkt gekommen, an dem das für uns nicht mehr möglich war, ohne im selben Maße zu wachsen. Und darum geht es ja. Du willst als Künstler wachsen und dafür braucht es eben einen passenden Rahmen, in dem das möglich ist. Um in Deutschland und auch international mehr Erfolg zu haben, haben wir uns entschlossen uns von einem Label helfen zu lassen. Bei Universal einen Vertrag zu unterzeichen, war für uns der nächste logische Schritt. Wir haben uns im Vorfeld schon etabliert und hatten musikalisch zu unserem Sound gefunden. All diese Faktoren waren also bereits gegeben. Wir wurden nicht vom Label geformt oder herumkommandiert.

Claudio Donzelli: Ausserdem stand das Album schon in den Startlöchern und war fertiggestellt.

Ian Hooper: Unser Label wusste also von Anfang an, was es bekommen würde und es war gegenseitiges Vertrauen vorhanden. Es wurden uns in dieser Hinsicht viele Freiheiten gewährt und wir bekamen die finanzielle Hilfe und Erfahrung, die wir benötigten. Universal ist ein weltweit sehr erfolgreiches Unternehmen, das so viele tolle Künstler unter Vertrag hat. Natürlich ist das für Künstler wie uns, die am Anfang ihrer Karriere stehen, attraktiv. Wir wollen größere Shows spielen und mehr Menschen mit unserer Musik erreichen. Anfangs fühlt es sich wie ein Start-Up-Unternehmen an bis du dann immer mehr Fahrt aufnimmst und Leute engagieren musst, die dir auf deinem Weg helfen. Du versuchst alle möglichen Hebel so lange es geht alleine in Bewegung zu setzen, aber irgendwann möchtest du dich auf den Kern des Ganzen konzentrieren und die Musik wieder ins Zentrum rücken nachdem du Einblicke in alle anderen Bereiche wie Marketing, Finanzierung usw. gewonnen hast. Ich bin froh, dass es jemanden gibt, der z.B. unsere Flüge bucht, denn ich hätte keine Lust nach den billigsten Angeboten zu suchen. Es gibt so viele Aufgaben, die unsexy sind, wenn es um Bandangelegenheiten geht. Vor allem, was die Logistik betrifft. (lacht)

MusikBlog: Wo du gerade davon sprichst – logistisch gesehen, seid ihr als Band mittlerweile alle in Berlin angekommen und habt eure Heimat (USA, UK, ITA) hinter euch gelassen. Mit welchen Erwartungen seid ihr nach Deutschland gekommen und wurden diese erfüllt?

Ian Hooper: Um ehrlich zu sein, wusste ich zuerst nicht, was ich von Berlin zu erwarten hatte. Ich habe zwei Monate meiner Semesterferien hier verbracht als ich ein Jahr lang in München studiert habe und habe mich einfach in die Stadt verliebt. Als mein Praktikum im Bundestag vorbei war und ich wieder nach München zurück musste, wurde es gerade schön. Die Sonne kam heraus, plötzlich waren Mädchen auf der Straße und die Menschen lächelten wieder nach dem Winter. Ich wusste, ich würde wiederkommen müssen, um länger hier zu leben. Nun sind es schon vier Jahre. Mir war klar, dass es vergleichsweise billig ist in Berlin zu leben. Auf der anderen Seite ist es schwierig beruflich hier Fuß zu fassen, obwohl es zahlreiche Chancen gibt, wenn man motiviert genug ist.

Claudio Donzelli: Ich bin vor allem nach Berlin gekommen, um mich als Person in einem anderen Kontext zu sehen. Ich war auf der Suche nach neuen Impulsen und ich war mit meinem Studium in Bologna fast am Ende angelangt. Obwohl die Stadt sehr lebhaft und voll von jungen Leuten ist, hatte ich das Gefühl jeden Winkel davon erforscht zu haben. Ich wollte wieder dieses Gefühl von Aufregung in mir fühlen.

Ian Hooper: Das Interessante an Berlin ist, dass dich dieser Ort herausfordert. Es ist keine typisch deutsche Stadt, die dir eine „german experience“ vermittelt. Für mich gibt es keine Hauptstadt auf der Welt, die Berlin ähnlich ist. Im Vergleich zu anderen Metropolen ist das Leben bezahlbar und die Stadt strahlt eine gewisse Ruhe aus. Viele Leute kommen her, um das fehlende Puzzleteil zu finden…oder gar sich selbst. Wenn man erst einmal hier angekommen ist, taucht man in eine besondere Welt ein. Man geht viel in Clubs und Bars und lebt diesen bohemian Lifestyle. Das Problem ist, dass viele Menschen darin versinken und den Absprung nicht schaffen, denn du musst dich irgendwann anfangen zu konzentrieren und ein Ziel vor Augen haben. Berlin bietet einem unheimlich viel, aber man muss auch viel Selbstdisziplin haben, um an’s Ziel zu kommen. Es gibt Unmengen an Menschen, die einfach nur rumhängen und diesen Zustand akzeptieren. Für mich war das niemals eine Option. Wenn du etwas erreichen willst, musst du auch etwas dafür tun. So einfach ist das. Jetzt klinge ich ganz schön amerikanisch. (lacht)

MusikBlog: Habt ihr euch in eurer Anfangsphase in Berlin als einsame Wölfe gefühlt? Die Stadt ist ja nicht gerade für ihre Folk-Szene bekannt, sondern eher ein Elektro-Mekka.

Ian Hooper: Das Gute an Berlin ist, dass wir uns trotz des großen Zuspruchs bezüglich elektronischer Musik schon sehr früh gut aufgehoben gefühlt haben. Zwar halten uns viele Großstädter für „Pussys“, aber es gibt zum Glück genügend Menschen, die nicht jeden Tag ins Berghain rennen und sich bis zur Ekstase tanzen wollen. Ja klar, ab und zu wurden wir schräg angeguckt und die Leute fragten uns ungläubig: „Oh, ihr singt über eure Gefühle und die Natur?“. Aber wir mussten uns nie verstellen. Die Musik ist mein einziges Ventil überhaupt über meine Gefühle zu sprechen!

MusikBlog: Ist Folk-Musik in euren Augen heute immer noch genauso relevant wie damals? Als Genre ist es nie vom Erdboden verschwunden, sondern hatte auch über die Jahrzehnte hinweg sein Publikum.

Ian Hooper: Ja, gerade in den letzten Jahren gab es fast schon einen Hype, der dazu geführt hat, dass Folk-Musik wieder ein größeres Publikum bekam. Selbst Bands, die nichts mit dieser Art von Musik zu tun haben, fangen plötzlich an Folk-Elemente in ihre Songs miteinfließen zu lassen. Ich glaube es wird immer einen Platz für Folk-Musik geben. Wir haben uns schon immer dazu hingezogen gefühlt und solche Songs gespielt. Ich sehe uns als Band aber eher in der Singer-Songwriter-Szene verankert und nicht unbedingt als traditionelle Folk-Musiker. Dafür gibt es in unseren Songs zu viele Indie-Rock oder Alternative-Einflüsse. Gleichzeitig gefällt mir aber die Vorstellung, dass sich nun immer mehr Menschen wieder für die Wurzeln von Folk interessieren. Dazu gehören vor allem menschlische Gefühle, Aufrichtigkeit und auch Natürlichkeit. Die Musik dient dabei nur als Ventil eben all das rauszulassen. Folk ist eine sehr ehrliche, gemeinschaftlich orientierte Form von Musik. Unser Leben wird immer mehr durch die Technik etc. bestimmt, so dass viele Menschen sich wieder nach diesen grundlegenden Werten sehnen, die Folk-Songs vermitteln. Wenn unsere Musik ihnen dabei hilft ein wenig mehr über sich selbst und ihr Leben zu reflektieren, dann ist das großartig.

MusikBlog: Die Kunst Geschichten zu transportieren und Erzählungen in Songs zu verarbeiten, hat eine lange Tradition im Folk. Was macht für euch eine gute Geschichte aus?

Ian Hooper: In allererster Linie ist eine Geschichte gut, wenn du dich damit identifizieren kannst. Sie muss deine Aufmerksamkeit wecken und muss zugänglich sein. Am besten in dem Maße, dass sich verschiedene Menschen davon angesprochen fühlen und sie anfangen diese Geschichte in eigenen Worten für sich zu interpretieren. Ich weiss nicht, ob ich ein guter Geschichtenerzähler bin, denn oftmals wird das mit einer gesunden Gesellschaftskritik gleichgesetzt. Es wird von einem erwartet kritisch zu sein, religiöse Themen anzuschneiden oder über die Liebe zu singen. Jeder hat doch seine ganz eigene Vorstellung von einer guten Geschichte. Es kommt allein auf deine Gefühlslage an, wenn du dich einer Geschichte öffnest. Du kannst entweder eine direkte Verbindung zu dem Inhalt herstellen oder du hast das Gefühl Zeit und Ort stimmen gerade nicht mit deinen Empfindungen überein.

Claudio Donzelli: Wichtig ist vor allem, dass die Musik dabei hilft eine bestimmte Geschichte zu erzählen und im Verlauf der Erzählung spezifische Momente hervorhebt oder unterstreicht. Sie muss in der Lage sein die mit Worten geschaffene Welt auf musikalischer Ebene zu vervollständigen. Du musst die Augen schließen können und dabei Bilder vor dir sehen, wenn du Musik hörst. Wir haben schon immer auf diese Weise Songs geschrieben.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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